Die letzten 1700 Seemeilen von Griechenland, über Tunesien und Spanien, zurück nach Portugal waren ein schöner Abschluss meiner Weltumsegelung. Ganz ohne Herausforderungen ging es aber natürlich nicht:
Es war Ende Mai und ich war bereits in kleinen Sprüngen von Zypern bis nach Rhodos gesegelt. Beziehungsweise, die meiste Zeit war ich unter Motor unterwegs und erst auf den letzten 70 Seemeilen habe ich dann Wind bekommen. 25 – 35 Knoten auf die Nase!
Das war aufregend! Es war das erste Mal, dass das neue Rigg richtig unter Belastung gesetzt wurde, und ich hatte das Rigg von Anfang bis Ende alles selber gebaut. Das heißt, die Endstücke auf meinen Wanten habe ich natürlich pressen lassen, da ich die benötigte Maschine gar nicht besitze. Aber ich habe den Mast selbst gestellt, ausgerichtet, den Mastfall (Neigung des Mastes nach Achtern) festgelegt, die Wantenlängen ausgemessen und anschließend die Spannung auf den Drahtseilen eingestellt.
In der Regel vertraue ich in meine Fähigkeiten, aber zurückblickend weiß ich, dass ich immer noch ein Trauma vom Mastbruch mit mir herumschleppte. Kein Wunder also, dass die Nerven blank lagen, als sich die Segel zum ersten Mal kräftig mit Wind füllten, sich das Boot neigte und ich nach kurzer Zeit sogar die Segel stark reffen musste.
Doch alles hielt zusammen!
Es war auch erst in Griechenland, dass ich merkte, wie all die Anstrengung und Anspannung der letzten Monate (Rotes Meer und Boots Refit) von mir abfielen. Ich schlief so gut und so lange wie seit Ewigkeiten nicht mehr!
Die leichten Frühlingswinde wichen bereits dem Meltemi, einem Nordwind, der im Sommer konstant und kräftig durch die südlichen Kykladen weht. Wirft man einen Blick auf die Wetterkarte sieht man auch, dass der Nordwind ganz im Süden Griechenlands durch die Landmasse Kretas auf NW bis W abgelenkt wird.
Für uns – ich segelte zu dem Zeitpunkt mit einer Mitseglerin, war es deshalb gar nicht so einfach Strecke in Richtung Westen zu machen. Schnell kam es zum ersten „Ausweichmanöver“ und wir liefen außerplanmäßig die Insel Nisirios an, um auf bessere Windverhältnisse zu warten.
Zusammen mit unseren Bootsnachbarn erkundeten wir die Insel. Mit Rollern cruisten wir an der Küste entlang, bevor wir in Richtung Inselzentrum abbogen, um den Vulkankrater zu finden. Das war nicht schwer und schon bald konnte man erkennen, wie die Vegetation immer dünner wurde. Kaum hatten wir den Kraterrand überquert, roch es nach Schwefel und die Straße verlor sich in einer Schotterpiste, die bis zu einem kleinen blubbernden Tümpel führte – dem eigentlichen Krater.
Zurück an der Küste bestaunten wir einen einzigartigen Sonnenuntergang und beeilten uns dann wieder zum Vulkan zu kommen. Ab 22.00 Uhr spielte dort im Krater eine Pink Floyd Covergruppe ein Livekonzert!
Mit dem nächsten guten Wetterfenster verließen wir Nisirios am darauffolgenden Tag. Unser nächstes Ziel lag 86 Seemeilen weiter westlich: Santorini!
Wir ankerten im Süden der Insel über schwarzem Sand. Der Bus fuhr halbstündlich bis zur Hauptstadt Fira und als ich in ihm zum ersten Mal über den Kraterrand und in das Panorama der Insel sehen konnte verschlug es mir wortwörtlich die Sprache! Es ist unglaublich schön!
Mir blieb nichts anderes übrig als mich in Fira in ein Restaurant zu setzen, ein glas Wein zu trinken und die Aussicht zu genießen.
Mit meiner Mitseglerin zusammen ging es noch weiter bis nach Kalamata, im Südwestzipfel Griechenlands. Die nächste sechstägige Überfahrt nach Tunesien segelte ich dann aber wieder einhand. Vorbei an Sizilien und Malta, bis nach Bizerte, im Norden Tunesiens.
Es war eine ruhige, entspannende Überfahrt. Ich hatte einen schönen Tunfisch gefangen, ihn dann aber wieder schwimmen lassen, weil er für mich alleine viel zu groß gewesen wäre. Ich konnte viel lesen und die Zeit auf dem Wasser vollkommen genießen.
In Tunesien war ich mich mit meinem Kumpel Sofien verabredet. Sofien war schon ganz zu Beginn meiner Reise dabei, als wir mit dem Auto von Schondorf nach Portugal gefahren sind: Über apokalyptisch leere Coronaautobahnen, verfolgt von Grenzschließungen schafften wir es damals gerade noch so, einen Tag vor dem totalen Lockdown, nach Lagos.
Wir hatten uns auch zwischendurch im Panama und Costa Rica wiedergetroffen und schon lange davon gesprochen, uns wenn es soweit ist, in Tunesien – Sofien‘s Heimat, wieder zu sehen. Das Timing hätte nicht besser sein können:
Seine ganze Familie; Eltern, Geschwister, Cousine kamen zu Besuch nach Tunesien und auch Sofien’s Kindheitsfreunde waren dort. Es war der Hammer alle kennen zu lernen und mit ihnen auch das Land auf eine ganz persönliche Weise erleben zu können.
Wir campten am Strand, waren Angeln und Sperfischen, kochten viel und feierten als Highlight die Verlobung von Sofiens Schwester und ihrem Freund!
Der 14te August stand als Abfahrtsdatum fest. Es fehlten jetzt nur noch 900 Seemeilen bis zur Vollendung der Weltumsegelung und zum Monatswechsel wurden wir von Familie und Freunden in Lagos erwartet!
Wir waren zu zweit, aber ich dachte schon länger darüber nach, ob es nicht entspannter wäre, zu dritt zu segeln. Auf die Frage, ob Sofien nicht noch jemanden kennt, der gut zu uns aufs Boot passen würde, viel ihm direkt Layla ein: Die beiden hatten sich zwei Jahre zuvor in Costa Rica kennengelernt. Für Layla war das Segeln damals neu. Eigentlich ist sie Tätowiererin und führt zwei Läden in Genf (HIER), doch seither ist auch Segeln als große Passion hinzugekommen und zu mehr als nur einem Hobby geworden.
Vielleicht war es Schicksal. Sie hatte am Tag vor unserem Anruf gerade einen Segel- Job beendet und es stand ihr nichts im Wege zu uns auf das Boot zu kommen! Kurz darauf stachen wir zu dritt in See und segelten auf der ersten Passage direkt bis nach Cartagena in Spanien.
Mann, haben es uns gut gehen lassen! Unterwegs war immer die Angel draußen. Wir fingen zwei oder drei Tunfische, die wir zu Ceviche, Steaks oder Sushi verarbeitet haben. Wir genossen die mediterranen Vibes in den spanischen Häfen und schlemmten uns von einem genialem Essen zum nächsten (sowohl selbstgekocht, als auch ausgegangen).
Die letzte Hürde, die uns gestellt wurde, war die Straße von Gibraltar. Die Meerenge trennt den europäischen Kontinent vom afrikanischen. Sie ist nur rund 14 Kilometer breit und man kann bei gutem Wetter bis auf die andere Seiten sehen.
Durch den Düseneffekt, einem speziellen Relief des Seebettes und den unterschiedlichen Salzgehalten im Mittelmeer und Atlantik sind die dort laufenden Strömungen nicht zu unterschätzen.
Nur mit achterlichem Wind und so getimt, dass die durch Ebbe und Flut verursachte Strömung den kontinuierlich E setzenden Strom aufhebt, ist die Passage zu empfehlen. Verwirbelungen und steile Wellen, wenn Wind gegen Strom steht, machen die Durchfahrt sonst sehr ungemütlich, wenn nicht sogar gefährlich. (genauere Informationen dazu HIER)
Außerdem treiben seit gut vier Jahren Orcas vor der Küste Spaniens, Portugals und Gibraltar ihr Unwesen und „attackieren“ Segelschiffe. Was genau die Ursache dieser Interaktionen sind ist noch nicht eindeutig geklärt. Es gibt verschiedene Theorien, die alle möglich sein könnten.
Orcas sind sehr intelligente Tiere und Ich persönlich halte deshalb zwei für plausibel:
- Die Orcas haben durch Überfischung und zunehmenden Schiffsverkehr, welcher unter Wasser viel Lärm erzeugt, immer größere Probleme Nahrung zu finden. Sie sind genervt und wissen, dass Boote/ Schiffe dafür verantwortlich sind und ihnen das Essen vor der Nase wegziehen. – Segelboote sind die schwächsten Feinde werden also zuerst attackiert. Außerdem könnten sie von den Echolotgeräuschen, dem vibrieren des Ruders und des Autopiloten angelockt werden. Diese Frequenzen sind unter Wasser viele Meilen weit wahrnehmbar.
- Die Orcas folgen den Tunfischschwärmen zum Jagen. Die älteren Tiere tauchen in große Tiefen, um dort ihre Beute zu finden. Die Jungtiere bleiben im flachen Wasser zurück und langweilen sich. Nun ja, und dann machen sie halt was man als gelangweilter Jungspund so macht: Unsinn; Mutproben?
Wie gesagt, das sind nur zwei Theorien und auch nur meine Ideen zu der Frage „warum?“. Wissen tu ich das nicht. Fakt ist jedoch, dass ich um jeden Preis verhindern wollte, derartige Bekanntschaft mit den Tieren zu machen. Im Falle meiner Route war die einfachste Gegenmaßnahme in flachem Wasser zu segeln, dass nicht tiefer war als 20 Meter.
Auf der Seite ORCAS.PT findet man viele hochwertige Informationen zum Umgang mit den Tieren und auch eine Karte, in der die neuesten Sichtungen und Interaktionen eingetragen werden.
Wir warteten im letzten Hafen, etwa 11 Seemeilen entfernt auf ein geeignetes Wetterfenster und berechneten unsere genaue Abfahrzeit, um exakt mit Strömungswechsel den Südzipfel Gibraltars zu runden.
Wie im Cruising Guide beschrieben hing eine einzige Tellerartige Wolke über dem Affenberg – ein klares Indiz für Wind aus östlicher Richtung. Ohne Probleme rundeten wir das Kap, fuhren nahe an der Küste entlang und passierten den Leuchtturm von Tarifa gerade einmal einen Steinwurf entfernt.
Wir waren zurück im Atlantik.