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Die Dolldrums – Pazifiküberquerung Teil 1

von | Apr 21, 2022 | Pazifik

Vor uns lag, mit über 4000 Seemeilen- knapp 8000 Kilometern, die längste meiner Überfahrten:

Der Sprung von Panama nach Französisch- Polynesien. Wir rechneten mit 35 bis 40 Tagen auf See, von denen gleich die ersten zehn versprachen, die schwierigsten zu werden. 

Das Festland und damit Panama City hatten wir schon vor ein paar Tagen in unserem Kielwasser gelassen und verbrachten die letzte Nacht ankernd vor der Insel Contador im Las Perlas Archipel. Sie lockte mit türkisem Wasser, weißen Stränden, sowie mit Internet und einer kleinen Tankstelle an der wir die Kanister für das Beiboot noch einmal befüllen wollten.

Dort angekommen übernachteten wir in derselben Bucht, wo 46 Jahre zuvor schon Rollo Gephard lag um seinerseits die letzten Arbeiten für seine Pazifiküberquerung auszuführen. In seinem Buch, „Ein Mann und sein Boot“, beschreibt er die Insel:

„Contadora ist etwa 4 Kilometer lang und zwei Kilometer breit. Die Insel war zunächst unbewohnt, bis sie von einer Baugesellschaft aufgekauft wurde, die zunächst ein Hotel errichtete und dann auch Grundstücke an Privateigentümer verkaufte und noch verkauft. Eine Landebahn für Flugzeuge wurde angelegt, sowie eine Straße – zum Transport von Material-, die von der Schiffsanlegestelle zum Hotel und weiter zu den Villen führte. Wie die gesamte Gruppe der Perlas Inseln hat auch Contadora keinen tropischen Pflanzenwuchs (…).  Für die dort beschäftigten Arbeiter war in einer Bretterbude ein kleiner Lebensmittelladen eingerichtet worden (…)“.

Wir konnten uns in der Beschreibung sehr gut wiederfinden. Wir sahen die Schiffsanlegestelle und die Landebahn. Nette Arbeiter ersparten uns den Fußweg und brachten uns auf der Pritsche ihres Kleintransporters zur Tankstelle, die inzwischen Teil des Lebensmittelladens geworden war. Auch bei uns war es wahnsinnig heiß und nach nur einigen Minuten abseits der kühlenden Meerrsluft lief uns der Schweiß brennend in die Augen. Ein Großteil des Ufers ist mittlerweile mit schicken Hotels und luxuriösen Villen gesäumt. Auf der Nordseite der Insel erforschten wir einen ganzen Komplex zerfallener Hotellanlagen.

Die Arbeiten an der WASA hingegen hatten wir bereits erledigt. Wir nutzten dazu die Möglichkeiten der Hauptstadt. In zehn anstrengenden Tagen hakten  wir nach und nach alle Punkte auf unserer To – Do Liste ab. Das meiste waren nur Kleinigkeiten. Die Winschen reinigen und fetten oder die Rollreffanlage servicen waren Punkte der Liste. Aber auch „Klopumpe reparieren“, den „Mast inspizieren“ und „Motor service“ standen darauf.  Und auch Kleinvieh macht mist! „Wasserkanister besorgen“, „Tanken“, „Gemüsenetze besorgen“, „Papierkram erledigen“, „Einkaufen“. – Wir waren froh, dass wir überhaupt ein Ende fanden.

Alleine das Einkaufen beanspruchte 2 Tage! Am ersten fuhren wir mit Tristan, einem Freund und Taxifahrer in Panama von Supermarkt zu Supermarkt, am zweiten Tag konzentrierten wir uns nur auf Obst und Gemüse vom Markt.

Nach 5 Stunden einkaufen waren wir nachmittags zurück am Boot, verbrachten dann aber noch bis Sonnenuntergang damit, die Einkäufe zu sortieren und zu verstauen. Wir entfernten nicht nur alle unnötigen Verpackungen, sondern entledigten auch die Konservendosen ihrer Banderolen: Kakerlaken verstecken dahinter gerne ihre Eier und deren Import wollten wir tunlichst vermeiden!

In den Tanks im Rumpf und in Kanistern auf Deck bunkerten wir 360 Liter Wasser – so viel wie zwei volle Badewannen und 10 Klospülungen-, die uns bei sparsamer Nutzung über 6 Wochen reichen sollten.

Am 15ten März war es dann so weit! Wir lichteten den Anker und drehten noch eine kleine Runde um unsere neuen Bekannten auf der BLUE BERRYL und tatsteten uns dann vorsichtig; die Riffe und Sandbänke meidend; auf das offene Meer hinaus.

Der Wind blies kräftig und so wurden die Inseln hinter uns schnell kleiner und kleiner. Perfekt getimt zum Abendessen wurde der Wind  sogar so stark, dass wir das Großsegel komplett bargen und alleine mit der Genua immer noch über 5 Knoten schnell fuhren!

Es war Zeit schlafen zu gehen- zumindest für Emma. Die Nacht, beginnend mit dem Sonnenuntergang hatten wir in drei- Stunden- Häppchen aufgeteilt. Schläft der eine, so wacht die andere; und umgekehrt. Wobei wir uns im Grunde darauf verständigt haben, dass auch der Wachende schlafen darf. Wir stellten uns dazu einen Timer, der alle 20 Minuten klingelte um uns zu wecken und daran zu erinnern, Ausschau zu halten und den Kurs sowie die Windrichtung zu überprüfen.

Seitdem wir den Golf von Panama verlassen hatten, befanden wir uns in nahezu unbefahrenem Gewässer. Vor zu nahe kommenden Containerschiffen warnte uns zuverlässig das AIS (Automatisches Identifikationssystem) und die paar Fischerboote ohne Sender entdeckten wir meistens schon einige Seemeilen im Voraus anhand ihrer starken Beleuchtung.

Trotzdem passierte in der dritten Nacht das Unerwartete! Es war Flaute und wir motorten. Im Cockpit sitzend machte mich gerade daran, mich in meine Decke einzumummeln und Schlafen zu legen, als es rumste! Erst ein dumpfer Schlag vorne am Bug. Dann am Kiel und schließlich das schmerzende Geräusch der hackenden Schiffsschraube . Klongk! „Scheiße! Baumstamm!“, fuhr es mir in den Kopf. Wie aus Reflex ließ ich meine Hand auf den Gashebel fallen und stellte die Maschine in den Leerlauf. Dann sprang ich auf, griff nach meiner Taschenlampe und sah in das Wasser hinter dem Boot.

Langsam, ganz langsam schälte sich eine riesige Baumkrone, unter dem Rumpf heraus. Ich hielt den Atem an und hoffte, dass sie sich nicht an der Windfahnensteuerung verfangen und diese oder gar das Ruder abreißen würde!

Doch alles ging gut. Wieder einmal machte sich die massive Bauart der WASA bezahlt!

Das Stück Holz war auch jetzt im schein der Taschenlampe kaum zu sehen. Lediglich ein kleiner Strunk von vielleicht 20 Zentimetern Höhe ragte aus dem Wasser heraus. Der Rest war unsichtbar.

Die nächsten Tage lief fast durchgehen der Motor. Im Hellen versuchten wir wann immer möglich dem nervtötenden Hämmern der Maschine zu entkommen und setzten schon bei der kleinsten Brise das Leichtwindsegel. Da nachts aufziehende Gewitter kaum auszumachen sind, bargen wir das Leichtwindsegel stets zu Sonnenuntergang und starteten den Motor. Nur das Groß blieb dauerhaft gesetzt: dichtgeholt reduziert es das Rollen des Bootes in den Wellen und es bringt durch den Fahrtwind immerhin ein wenig Vortrieb.

Am fünften Tag zählte ich in unserem Logbuch 70 Motorstunden. Damit war die Hälfte unseres Tankes bereits aufgebraucht. Es verhieß knapp zu werden. Wir befanden uns inmitten der Dolldrums; von den stabilen Passatwinden waren wir noch einige Tage entfernt.

Die Dolldrums sind bei Seglern berüchtigt und mir haben sie vor Abfahrt zumindest einiges an Kopfzerbrechen bereitet.  In diesem Bereich, den Dolldrums, der ITC (Innertropischen Konvergenzzone) oder auch Kalmenzone, stoßen die Passatwinde der Nordhalbkugel mit denen der Südhalbkugel zusammen. Sie heben sich gegenseitig auf. Es bleibt ein Gebiet mit leichten, wechselnden Winden; oft mit kompletter Flaute. Dazu kommen ständige Gewitter, Regenschauer und eine unangenehm hohe Luftfeuchtigkeit. Ihre exakte Lage und Ausdehnung variiert je nach Jahreszeit. In unserem Fall erstreckt sie sich von Panama bis zu den Galapagos Inseln – 800 Seemeilen! Wir mussten uns den Treibstoff also gut einteilen und so viel Segeln wie nur möglich, wollten wir nicht auf den letzten Metern in diesen Flauten hängenbleiben.

Am Morgen des 22ten März war endlich mal etwas anders. Ich war zur Abwechslung nicht vom lärmenden Motor geweckt worden, stattdessen klebte ich am Leebrett meiner Koje, das mich davor bewahrt hatte, direkt auf den Boden zu purzeln. Wir hatten Wind! Emma hatte die Genua gesetzt und wir rauschten mit über 5 Knoten Fahrt in Richtung Süden!

Wären mit dem Wind nicht auch die Wellen gewachsen – perfekt! Um acht Uhr überquerten wir den Äquator und hofften, ein wenig feiern zu können. Wir hatten Kostüme vorbereitet, wollten uns in alter Seemannsmanier einer anständigen Äquatortaufe unterziehen und Posseidon ein Opfer übergeben. Anstelle dessen kämpften wir beide mit flauem Magen, Emma übergab sich ( das einzige Mal auf unserer Reise) und wir schliefen den Großteil des Tages. Wir refften die Segel und stärkten uns am Abend den Magen mit verbrannten Dampfnudeln und Vanillesauce.

17.10 Uhr: Motor an! – So schnell der Wind gekommen war, so schnell verschwand er auch wieder.

Flaute, wechselnde Winde und Gewitter hatten wir schon. Was jetzt noch fehlte war der Regen: 20 Stunden lang fielen Bindfäden vom Himmel. Trotz mieser Stimmung unter Deck erklärte sich Emma bereit mit gesammeltem Süßwasser unserer Bettwäsche und einigen Klamotten neue Frische zu verleihen!

Elf Tage nach Abfahrt steht in meinem Notizbuch:

              „Schöner Morgen! Sonne scheint, Himmel blau. Nur ein paar kleine Wölkchen am Himmel. Der Wind ist kühl und bläst mit 16- 19 Knoten aus Süd. Das Meer scheint dunkelblau, ist aufgewühlt und mit weißen Schaumkronen durchzogen. Die Segel sind voll gesetzt; mit halben bis raumen Wind pflügen wir regelrecht durch die Wellen. Es fühlt sich toll an, den Wind zurückzuhaben und den Druck im Boot spüren zu können.“

Wir haben die magische 5° Süd Grenze überschritten und waren nun sicher in den konstanten Passatwinden. Wir änderten den Kurs auf 259° und steuerten von nun an direkt unserem Ziel, Nuku Hiva, entgegen.