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Einhand von Grenada nach Curacao

von | Jul 11, 2021 | Atlantik, Curacao, Karibik

Bei meiner letzten Etappe, von Curacao nach Grenada war es dann so weit: Ich segelte meinen ersten mehrtägigen Törn „single handed“!

Wieso eigentlich heißt es „single handed“? – Ich gehe davon aus, dass der Begriff noch vor der Zeit von Windfahnensteuerung und Autopilot entstanden ist. Ein Segler, der alleine mit seinem Boot unterwegs war, musste, um Kurs halten zu können, zwangsläufig immer mit einer Hand die Pinne oder das Steuerrad greifen. Es war also nur noch eine Hand über, mit der Segel gesetzt, Logbuch geschrieben oder gekocht werden konnte.

Überprüfen kann ich meine Theorie im Moment allerdings nicht. Zur Zeit liege ich noch ohne Internet und Mobilfunk im Quarantänefeld Curacaos, in „Spanish Waters“, vor Anker.  Meine Ankunft gestern Abend war leider etwas zu spät, heute in der Frühkonnte ich dann aber meinen bisher abenteuerlichsten PCR- Test abgeben. Die Coast Guard kam mit samt Ärzteteam längsseits zur WASA. Nachdem alle Personalien und Daten gecheckt und Formulare ausgefüllt waren, wurde mir vom Patrouillenboot aus, über die Reling beider Boote hinweg, ein wenig Gehirn aus meiner Nase gezogen und sorgfältig eingetütet. (Verzeihung also für alle Rechtschreibfehler)

Bis zum Erhalten der Ergebnisse, wahrscheinlich morgen Nachmittag, darf ich WASA nicht verlassen. In der Zwischenzeit bringe ich das Boot wieder vom „Überfahrtsmodus“ zurück in den „Wohnmodus“. Das heißt, die Segel zusammenlegen, meine Seekoje räumen und einmal durchwischen. Außerdem richte ich ein Gästezimmer für meine Eltern ein, die jetzt bald endlich an Bord kommen können.

Davor:

Nicht nur die Anreise meiner Eltern, bzw. die meines Papas hat sich etwas verschwert. Auch bei mir hat sich mal wieder alles um ein paar Tage nach hinten verschoben.

Ursprünglich wollte ich letzten Donnerstag aufbrechen. Am Mittwoch wollte ich dazu bereits vom Süden Grenadas, um den Zipfel herum nach St. Georges segeln. Einmal, um noch einmal alles zu testen, denn die WASA stand nun doch für fast einen Monat stillt, zum anderen musste ich dort sowieso Einkaufen und meine Formalitäten beim Zoll regeln.

Kaum war ich um das Kap herumgesegelt, schlief der Wind ein. Der verbliebende Rest, sowie die Strömung arbeiteten genau gegen mich. Da ich nicht erst am Abend ankommen wollte, entschied ich mich zu motoren. Doch noch keine zehn Minuten später erschreckte mich der nervtötende Alarmton der Bilgenpumpe. Wie ein aufgescheuchtes Kaninchen sauste ich den Niedergang hinab und sah in die Bilge. „Tatsächlich! Wasser! Salzig!“

Ich krabbelte durch das Boot und checkte alle möglichen Plätze und Ursachen für einen Wassereinbruch. Im Motorenraum fand ich letztendlich den Ursprung allen Übels. Eine Schweißnaht am Auspuffkrümmer, an dem die heißen Motorabgase mit dem Kühlwasser vermischt werden war ermüdet und ist geplatzt. Glücklicherweise konnte ich so durch Abstellen des Motors weiteres Eindringen von Wasser verhindern.
Nur, den restlichen Weg musste ich dann doch segeln. Es dauerte drei Stunden extra, die letzte Meile aufzukreuzen, unter Segel durch die recht enge Einfahrt in den Hafen zu segeln und in einer Box des Yachtclubs anzulegen. Unter segeln, ohne Motor. Das gelang gar nicht mal so schlecht. -Außer, dass am Ende der Wind etwas drehte, das Boot, anstatt zu bremsen, wieder an Fahrt aufnahm und nur dank der Hilfe und Haltekraft einer Freundin am Pier nicht die Hafenmauer rammte.

Hurikan „Elsa“ hatte Glücklicherweise keine großen Auswirkungen auf Grenada und mein Boot.

Kurz vor Abfahrt stand ich also mal wieder vor einer Handvoll Problemen.  Zum Kaputten Motor kam hinzu, dass ich schnellstmöglich loswollte. Der Hurrikan Bericht warnte aber vor einer sich schnell weiter entwickelnden Sturmzelle, die den Süden der Karibik treffen sollte. Würde ich schnell loskommen könnte ich es noch vor dem Sturm nach Curacao schaffen. Ansonsten müsste ich noch länger auf Grenada verharren und  meine Eltern in Curacao warten lassen. 

Ich war mir sehr lange unsicher. „Soll ich fahren, soll ich warten? Warten mindestens bis Samstag, losfahren, wenn dann morgen Früh?!“.

Die Formation würde Grenada und meine Route zwar nicht genau treffen, allerdings würden mir Windrichtungsänderungen, heftige Böen und hohe Wellen die Überfahrt ganz schön vermiesen.

Ich bekam Hilfe von vielen Bekannten aus Grenada. Rodger fuhr mich mit seinem Auto vom Hafen zur Werft um den Auspuffkrümmer schweißen zu lassen. Dort traf ich auch nochmal Steffan und seine Kollegen von „Driftwood“, die Bootsbauer in der Werft.

Zusammen berieten und suchten nach Lösungen. Sie analysierten mit mir die Wettervorhersagen. Wir stellten fest, es wäre klüger zu warten. Zu viele Unsicherheiten beim Wetter, die Zugbahn des Systems wurde von verschiedenen Vorhersagemodellen unterschiedlich berechnet. Mein Motorteil könnte bis Freitag nicht nur provisorisch, sondern richtig gut repariert werden und sowieso wär eh alles zu stressig gewesen.  Danke nochmal an der Stelle!!

Die Entscheidung war gut. Der Tropische Sturm „Elsa“ entwickelte sich am Freitag, kurz vor den Inseln weiter zum Hurrikane „Elsa“. Seine Zugbahn verlief glücklicherweise nördlich von Grenada. Bis auf extrem viel Regen und Wellen war an meinem neuen Ankerplatz kaum etwas zu spüren.

Die Überfahrt:

04.07.21

Am Sonntagvormittag konnte ich dann endlich los! In der ersten Stunde wehte der Wind schwach aus Norden, später, nach ein paar Regenschauern schlief er komplett ein. Ich hab den Atlantik bisher noch nie so ruhig gesehen. Nur ganz leichte Wogen bewegten das Schiff auf und ab. Ich startete den Motor.

Mit dem Untergang der Sonne kam auch der Wind zurück. Ich beeilte mich und schaffte es tatsächlich die Segel vor Einsetzen der Dunkelheit zu setzen. Meine erste Solonacht stand bevor. Meinen AIS Sender hatte ich aus Sicherheitsgründen vor der venezolanischen Küste deaktiviert. Ich war daher für andere Schiffe nur durch mein Positionslicht und vielleicht als Echo auf dem Radarbildschirm sichtbar. Alle zwanzig Minuten stellte ich mir einen Wecker um mich selbst davon überzeugen zu können „freie Fahrt“ zu haben. Bis zum Sonnenaufgang wurde ich 26 Mal geweckt.

05.05.21

Der Wind blieb auch am nächsten Tag. Mit 6-10kn blies er aus Ost bis Nordost. Ich änderte meine Besegelung, holte das Großsegel ein und segelte stattdessen, wie schon bei der Atlantiküberquerung, mit zwei seitlich ausgebaumten Vorsegeln.

Am Nachmittag rummste es plötzlich in der Befestigung meiner Angel und ich sah, wie die Schnur mit einem leutem „Sssss“ von der Rolle gezogen wurde! „Fisch!“, entfuhr es mir, obwohl mich eh keiner hören konnte. Nach ein paar Minuten konnte ich einen stattlichen und wunderschönen Mahi Mahi aus dem Wasser keschern! Gerade rechtzeitig zum Abendessen! (Und genug für morgen Mittag und Abend)

Wo ich aufgrund der Flaute ich in den ersten 24 Stunden lediglich lausige 100 Seemeilen zurücklegte, zeigte die Berechnung am Mittag ein Etmal von 156 Seemeilen. –„So kann das weitergehen“.

06.07.21

In der Nacht geschah wieder nichts aufregendes. Ich befand mich mittlerweile ungefähr auf Höhe der „Islas los Roques“, welche ich mit einem Abstand von ungefähr 45 Seemeilen passierte. Auch Tag war recht unspektakulär. Ich las „den Augenjäger“ von Sebastian Fitzek, kochte, schlief und ärgerte mich über Kopfschmerzen, die ich wahrscheinlich meinen unruhigen Schlaf zurückzuführen waren.

Die Nacht sollte die spannendste (und hoffentlich letzte) werden. Nachdem ich die venezolanischen Insel passiert hatte, musste ich meinen Kurs weit nach Süden ändern, um nach „unten“, nach Curacao zu kommen. Auf diesem Abschnitt musste ich mit nur fünf Seemeilen Abschnitt ein kleines Atoll passieren. Ich durfte auf keinen Fall einschlafen, um sicherzustellen, die  „Aves de Sotavento“ auch wirklich backbord liegen zu lassen und nicht direkt zu rammen. Seid Mitternacht stand ich deshalb im 15 Minuten Rhythmus auf, um Kurs und die Einstellungen der Windfahnensteuerung zu kontrollieren.

Nein! Das Bild ist bestimmt nicht gestellt… – Aber so schlief ich die meiste Zeit im Cockpit.

Am Morgen holte mich ein kleines Gewitter ein. Während ich noch überlegte, ob ich nicht lieber kleinere Segel setzen sollte, brauste es schon über mich hinweg. Kurze, heftige Böen und starker Regen brachten mich kurz zum Schwitzen, verzogen sich dann aber genau so schnell wie sie gekommen waren.

Bonaire, von Osten kommend die erste der ABC- Inseln, passierte ich gegen Mittag an Steuerbord. Im Süden ist die Insel so Flach, dass sie aus der Ferne nicht zu sehen ist. Lediglich der Leuchtturm bei Willemstoren, der aussieht als würde er in der Luft schweben, veranschaulicht den Verlauf der Küstenlinie.

13.15: Zum ersten Mal ist Curacao in Sicht! Als kleiner Hügel zeigt sie sich die Insel am Horizont.

Etwas später funkte ich auf Kanal 16 die Küstenwache Curacaos an. Ich wollte mich anmelden und nach den Quarantänevorschriften erkundigen. Die Dame am anderen Ende der Leitung übermittelte mir GPS Koordinaten in „Spanish Waters“, der Hauptankerbucht der Insel, an denen ich ankern und auf die Behörden warten sollte.

Die schmale Einfahrt zu „Spanish Waters“ ist kaum zu erkennen. Erst 500 Meter vom Ufer entfernt konnte ich sie ausmachen. Und Mama & Papa!- Ich hatte meinen Eltern über das Satelitentelefon meine ungefähre Ankunft durchgegeben und nun erwarteten sie mich winkend am Strand!

Es bedurfte ein gutes Stück Selbstbeherrschung, um nicht gleich am Steg anzulegen und sie in den Arm zu nehmen. Wir beließen es dann aber doch lieber bei Zurufen und Winken.- Die Küstenwache versteht bei der Einhaltung der Quarantäneauflagen, zurecht, oft keinen Spaß.

Um halb sechs viel das Eisen an meinem zugewiesenen Ankerplatz. Leider zu spät für einen Covid Test am selben Tag.

Zusammenfassung: 430Seemeilen; 3Tage & 5 Stunden; Durchschnittsgeschwindigkeit: 5,5kn

Woanders

Während der Überfahrt hierher habe ich immer wieder auf die Karte geschaut und mir in Handbüchern Details zu den schon so oft erwähnten Venezolanischen Inseln durchgelesen. Ich fand es schade, schon wieder traumhafte Inseln und Buchten, ja ein ganzes Land überspringen zu müssen. Venezuela gilt schon lange nicht mehr wirklich als „sicher“ für Segler. Ich weiß gar nicht, ob es das überhaupt einmal war. Auf jeden Fall hat Corona auch hier die Situation nicht gerade Verbessert. Armut und Arbeitslosigkeit haben zugenommen. Im Diskurs mit anderen Seglern wurde ich immer wieder gewarnt die Küste zu meiden. Auf den Kanaren musste ich einem befreundeten Ehepaar sogar versprechen das Land zu meiden.- Ein Freund wurde während eines bewaffneten Überfalls vor jener Küste erschossen.

Das Venezuela wirklich ein Risiko ist, bestätigte mir die Überfahrt einiger Freunde:

Einen Teil der Crew hatte ich auf Grenada kennengelernt. Die zwei Jungs an Bord kommen aus England und sind in etwa dem selben Alter wie ich. Das dritte Crewmitglied, ein Mädchen auch im selben Alter, kenne ich noch nicht wirklich. Sie kam in Grenada mit an Bord und bleibt für einige Zeit mit auf dem Boot.

Auch wir hatten uns über den bevorstehenden Törn und die etwaigen Risiken ausgetauscht. Allerdings war die Expeditionslust doch größer. Sie legten ihre Route innerhalb der Inseln und passierten somit Venezolanisches Hoheitsgewässer (um vielleicht einen Stopp an einer der schönen Ankerbuchten wagen zu können). An einem Tag wurden sie jedoch von einem Schnellboot der Marine eingeholt und aufgefordert die bewaffneten Beamten an Bord zu lassen. Aufgrund des Wellengangs, schaffte es allerdings nur einer, auf das Segelboot zu springen. Ihnen wurde befohlen, zu einer der Inseln, sechs Seemeilen entfernt zu fahren. Dort wurde das Schiff zwei Stunden lang durchsucht. Ohne irgendwelche Funde. Gehen wollten die Soldaten allerdings nicht. Nicht ohne Geschenk. Da kein Bargeld oder andere passende Wertsachen an Bord waren, forderten sie zwei Flaschen Gin. Und einen Wangenkuss der Mitseglerin.

Allen geht es gut und sie können mittlerweile über den Zwischen- oder Überfall lachen. Auch kann man sagen, „es ist nicht wirklich was schlimmes passiert“, oder „ein bisschen Spannung gehört zum Abenteuer doch dazu“.  Ich finde die Geschichte aber auch so krass und erzählenswert. Immerhin waren es Beamte auf dem Schiff, die Ihre Position gnadenlos ausnutzten. Die Leute, von denen man eigentlich Hilfe und Unterstützung im Notfall erwartet.

 

Spanish Waters, 08.07.21