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Hexenkessel

von | Jun 29, 2023 | Neu Kaledonien, Pazifik

In den letzten drei Wochen sind Annika und ich einmal rund um Neukaledonien gesegelt. Dabei haben wir über 600 Seemeilen zurückgelegt und Einiges erlebt!

Annika und ich kennen uns schon aus der Schulzeit. Nachdem sie ihren Bachelor vor ein paar Wochen abgeschlossen hatte, hat es nach langen Planungen endlich geklappt, dass sie mich auf dem Boot besuchen kommt. Gleich nach Ihrer Ankunft in Neukaledonien stand für Annika als erstes ein Tauchkurs auf dem Programm.

Neukaledonien und die umliegenden Riffe zählen wie so viele Plätze im Pazifik zu den Top Tauchspots weltweit. Schon während ihren ersten Tauchgängen mit der Tauchschule, um ein „Open Water Diver“ zu werden tauchte sie mit Riffhaien und Manta Rochen. In späteren Lerneinheiten erkundeten sie ein altes Wrack und neben vielen verschiedenen Korallen hat sie sogar schon ihr erstes Seepferdchen entdeckt!

Die Zeit, die Annika unter Wasser verbrachte, wollte ich nutzen, um ein paar Arbeiten an Bord zu erledigen. Zum einen hatte sie mir einen Haufen Ersatzteile für den Außenborder mitgebracht, zum anderen wollte ich endlich eine neue Funkantenne installieren.

Mit der Alten hatte ich immer größer werdende Empfangseinbußen. Ich kaufte also ein neues Set, zog das Kabel durch den Mast und verlegte es hinter die Verkleidungen. Dann nietete ich die neue Halterung an den Mast, schloss die Antenne an und räumte freudig das Werkzeug beiseite.

Doch schon beim Einschalten des Funks und des AIS wurde ich mit Fehlermeldungen überschüttet: „Zu große Wiederstände“

Schön, dass ich den ersten Testlauf erst unternahm, nachdem alles fertig verlegt war. – Wieder was dazu gelernt!
Die anschließende Fehlersuche zeigte dann aber, dass tatsächlich einfach die neu gekaufte Antenne defekt war. Ich konnte sie im Laden umtauschen; danach waren die Ergebnisse wieder besser!

Das Boot war so weit fertig, Annika hatte ihre Tauchprüfung bestanden und wir waren ready, die Insel zu erkunden – oder besser gesagt: „zu umrunden“.

Wir starteten unseren Trip in den Süden. Dorthin, wo das Internet schwach wird und auf der Seekarte immer größere Gebiete „unzureichend kartografiert“ sind. Türkis-farbenes Wasser, weiße Sandstrände und Langusten ohne Ende!

Doch leider spielte das Wetter nicht so richtig mit.

Der Wind nahm immer weiter zu, kam aus der ungünstigsten Richtung und ließ uns in den Nächten so stark hin und herspringen, dass wir schon am zweiten Tag die Flucht ergriffen. Gefolgt von dunklen Wolken und Regenschauern rauschten wir zurück in Richtung Festland.

In kleineren Schlägen segelten wir entlang der Küste auf die Ostseite. Nachdem aber auch unser dritter Ankerplatz und auch das Dorf an Land wie ausgestorben war, entschlossen wir von nun an etwas Strecke zu machen, sogar über Nacht zu segeln, um anschließend für ein paar Tage am Stück an ein und demselben Platz verweilen zu können: Mit starkem Rückenwind segelten wir am Morgen des 03.06. in Yate los und entschieden erst unterwegs bis nach Ouvea – die nördlichste der „Loyality Islands“, weiterzusegeln. Der Wind war so gut, dass wir 110 Seemeilen in 22h zurück legten!

Den Anker schmissen wir zwei Stunden vor Sonnenaufgang auf nur vier Meter Wassertiefe. Trotz der langen Nacht konnte ich kein Auge zu tun. Ich war super gestresst: Meine Gedanken kreisten immer noch um die Reparaturen an Bord. Die Ergebnisse der Funkanlage stellten mich noch nicht zu 100% zufrieden und vor allem kleine, haar-dicke Risse, die ich im oberen Vorstagwirbel entdeckt hatte, kreisten unaufhörlich durch meinen Kopf. Außerdem bemerkte ich langsam, dass ich die Länge der Umrundung vielleicht doch etwas unterschätzt hatte: In Etappen segelnd schafft man pro Tag eben doch nur einen Bruchteil des normalen Etmals auf Überfahrten. Und der schwierigste Teil, der Rückweg auf der Westseite der Insel; 200 Seemeilen gegen die vorherrschende Windrichtung; standen uns erst noch bevor!

Alles Probleme, die in der aktuellen Situation und vor allem total übermüded nicht zu lösen waren. Trotzdem schaffte es auch ein Telefonat mit meinen Eltern kaum, mich zu beruhigen. Erst als die Sonne schon hoch am Himmel stand fielen mir endlich die Augen zu.

Die nächsten Tage waren besser! Wir schliefen uns so richtig aus, machten lange Spaziergänge über den weißen Strand und hitchhikten durch die Dörfer.

Nach drei Tagen Sonne und Strand waren die Tanks wieder gefüllt und wir bereit weiter zu segeln. Nach Kaffee und Müsli setzten wir die Segel und fuhren ganz ohne Motorenlärm, in völliger Stille von unserem Ankerplatz ab.

Wir hatten eine kleine Fock am zweiten Vorstag gesetzt und das Groß ins zweite Reff gebunden. Am Anfang fuhren wir immer noch fünf Knoten schnell, wurden dann aber immer langsamer. Doch das war nicht schlimm. Bis nach Hiengene, unserem nächsten Stopp waren es lediglich 80 Seemeilen und da ich sowieso nicht vor Tagesanbruch an der Riffpassage ankommen wollte, war es gut so langsam durch die Nacht zu dümpeln.

Um elf Uhr fiel der Anker, wir pumpten das Beiboot auf und fuhren an Land. Wir vertraten uns etwas die Beine und gingen dann ins Touristenzentrum, wo wir einige Erkundigungen anstellten um den großen Wasserfall von Tao zu finden.

Unser Ankerplatz in Hienghene:

„11.07.22: Es ist Markt! Wir trinken Kaffee und frühstücken lokale Spezialitäten. Unsere gestrigen Recherchen waren erfolgreich und frisch gestärkt laufen wir erst eine Weile, dann hitchhiken wir die restlichen 20 Kilometer in Richtung Wasserfall.
An einer Autofähre, die mehr einem rostigem Metallfloß mit Außenborder ähnelt, werden wir abgesetzt und erfragen uns eine neue Mitfahrgelegenheit bei einem jungen Pärchen aus Tahiti. Während der Fahrt unterhalten wir uns nur ein kleines bisschen, dann setzen sie uns am Fuße der Wasserfälle ab.
Wir stapfen los, zahlen die 2Euro Eintritt und steigen im Flussbett immer weiter bergauf. Es ist wunderschön! Das Rauschen des Wassers – es ist kristallklar! Wir sind nicht dem eigentlichen Weg gefolgt, sondern immer dem steinigem Flussbett entlang nach oben. Das letzte Stückchen erweist sich als etwas schwieriger und wir müssen richtig klettern. Dann ist es geschafft und am Wasser sitzend gönnen wir uns unsere mitgebrachte Brotzeit.“

Per Anhalter gelangten wir wieder zurück ins Dorf und mit dem Dinghy zurück auf die WASA.

Mit dieser Reise erfülle ich mir einen Traum.Wenn auch du mich dabei unterstützen möchtest freue ich mich über eine symbolische Einladung zu einer Brotzeit!

Vielen Dank!

Ein paar Tage später bescherte uns unser letzter Ankerplatz auf der Ostseite der Insel eine spannende Geschichte:

Wir ankerten in einer kleinen Durchfahrt zwischen zwei Inseln. Obwohl sie den Namen „Boatpass“ trägt, ist sie für normale Segelboote ab der Hälfte zu flach, als Ankerplatz soll sie aber laut Karte doch gute Dienste leisten.  Doch die starke Tidenströmung ließ das Boot quer zu Wind und Welle stehen. Es ging auf und in der Nacht wurden wir so stark hin und hergeworfen, das an Schlaf kaum zu denken war! „Nichts wie weg“, dachten wir und gingen mit den ersten Sonnenstrahlen Anker auf.

Mit der tiefstehenden Sonne im Gesicht konnte ich die Riffe am Ausgang kaum erkennen. Ich dachte, ich kenne den weg: Einfach so wieder rausfahren, wie wir reingekommen sind. Doch die Strömung war stark und spielte mir einen Streich: Mit einem dumpfen Aufprall standen wir plötzlich still. – Aufgesetzt! Sofort warf ich die Pinne herum und gab rückwärts Gas. Wir kamen frei!

Ich drehte das Boot und brachte uns zurück zum Anfang. Diesmal versuchte ich es weiter links. Die See war wie eine Waschmaschine – ich konnte wieder nichts erkennen und wieder knallten wir gegen ein Riff.

„Was ist hier los?!“

Diesmal war der Aufprall härter, doch auch diesmal kamen wir frei. Wir schienen plötzlich von Riffen eingeschlossen zu sein, überall warf das Wasser plötzlich braun – Rifffarben!

Mehr oder weniger nach gut Glück und Bauchgefühl steuerte ich uns an den brechenden Wellen vorbei in Richtung offenes Meer. Dann war es geschafft – Fürs erste! Wir hatten das gefährliche Riff jetzt zwar passiert, doch wir bewegten uns nicht mehr von der Stelle!

Nur 20 Meter vor dem Riff und den brechenden Wellenliefen plötzlich 2 Meter hoch gegen uns an. Der kleine Motor bewegte uns kein Stück „Jetzt bloß nicht querschlagen“ denke ich, bevor ich Anni die Pinne in die Hand drückte und brülle „Halt uns gerade aus!“.

Ich konnte nicht sehen, was sie macht, denn schon sprang ich aufs Vorschiff und riss das Vorsegel in die Luft. Es schlug wild um sich, das dicke metallene Schothorn verfehlte meinen Kopf – nur knapp. Ich duckte mich, belegte das Fall auf der Klampe und sprang in zwei Sätzen zurück ins Cockpit. Anni hatte den Bug perfekt gegen den Wind gehalten!

Ich nahm die Schoten dicht und Anni fiel leicht ab. Wir spürten, wie Druck in das Schiff kam. Das Segel füllte sich, die WASA legte sich leicht auf die Seite und endlich nahmen wir Fahrt auf. Wir entkamen dem Hexenkessel.

(Teil 1/2)

Anni und ich am Nordkap Neukaledoniens.