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Im Zick- Zack über den Pazifik

von | Sep 12, 2022 | Pazifik

Am 11ten Juli, also vor knapp zwei Monaten verbrachte Maelle ihre erste Nacht auf dem Boot. Schon am Vortag lud sie zusammen mit einer Freundin einen Großteil ihrer Sachen auf dem Boot ab. Fünf Taschen! – von denen zum Glück zwei voll waren mit Essen aus ihrer alten WG.

Schon am nächsten Morgen begann unsere erste gemeinsame Fahrt. Von Papeete aus segelten wir zu der nicht weit entfernten Nachbarinsel Moorea. Der Wind blies kräftig. Mit 25 bis 30 Knoten stand er nahezu gegen an, die Wellen waren ungemütlich ruppig und mehrere Squalls verfolgten uns auf dem Weg. Ein erster kleiner Test, den wir gemeinsam gut überstranden.

Am Abend erreichten wir Cooks Bay, eine Bucht im Norden der Insel und schmissen den Anker. Obwohl er selbst niemals dort ankerte, wurde die Bucht nach Captain Cook benannt, der dort 1969 den Venusdurchgang durch die Sonne beobachten ließ.

Maelle und ich stellten unsere eigenen Nachforschungen an und erkundeten die Insel zu Fuß. Ein fünf stündiger Marsch führte uns durch kühlen, schattigen Wald, dann steil hinauf auf den Kamm der Berge. Für eine gute halbe Stunde folgten wir dem Grat, und kamen anschließend langsam in das Tal zurück.

Mit ordentlichem Kohldampf machten wir uns auf dem Rückweg zum Boot. Wir waren mit Keren zum Kochen verabredet. Bei leckerer, heißer Lasagne aus dem OMNIA – Ofen und ein paar Bier lernten wir uns kennen und besprachen den Ablauf der folgenden Tage.

Wir wollten in Richtung Nordwesten durch die Gesellschaftsinseln bis nach Bora Bora segeln, dort das Wetter beobachten und eine geeignete Route bis nach Fiji finden.

80 Seemeilen Nördlicher lag unser nächster Stopp: Die Insel Huahine. Wenig Wind, hohe Wellen und heftiger Regen sorgten auch hier wieder für eine anstrengende Überfahrt, für die wir über 20 Stunden benötigten.

Dort angekommen besuchten wir Samantha. Sie ist eine junge Polynesierin, die ich schon früher beim Hitchhiken  auf Tahiti kennen lernte. Sie lud uns ein vor ihrem Grundstück zu Ankern und zeigte uns ihren Garten und ihre Vanille Plantage.

Das Klima Französisch Polynesiens eignet sich perfekt zum Anbau der Schoten! Sie wurden vor einigen hundert Jahren aus Südamerika importiert und haben sich mittlerweile zu einer eigenen, sehr feinen Sorte entwickelt.

Die Aufzucht gestaltet sich jedoch sehr aufwändig: Mehreren Versuchen zum Trotz ist es noch nicht gelungen eine Bienenart zu importieren, der es möglich wäre, die ganz speziellen Blüten der Vanillepflanze zu bestäuben. Die Blütezeit der Pflanzen erstreckt sich über vier Monate pro Jahr, wobei sich jede Blüte nur ein einziges Mal und nur für einen einzigen Tag öffnet. Die wichtigste Aufgabe der Vanille Bauern ist es deshalb, jeden Tag, jede einzelne Pflanze und Blüte zu kontrollieren um sie im richtigen Moment bestäuben zu können. Von Bestäubung bis zur Ernte der fertigen Schote vergehen bis zu 10 Monate!

Links im Bild die Vanille Pflanze und rechts die fertige Schote

Am 23ten Juli, einem Samstag erreichten wir Bora Bora. Gerade rechtzeitig um die finalen Tanzaufführungen des dortigen Heiva – Festivals anzuschauen. Zu traditioneller Livemusik traten mehrere lokale Tanzgruppen gegeneinander an. Die Männer zeigten Kriegstänze, die Frauen beschrieben in ihren Bewegungen die Schönheit und Lieblichkeit Polynesiens.

Wettertechnisch waren wir wenig von Glück gesegnet: Andauernde Regenfälle machten uns einen Strich durch Wanderpläne. Unsere frisch gewaschene Wäsche hing drei Tage lang an Leinen über Deck zum trocknen. In einer Woche schafften wir gerade einmal so viel wie normalerweise in zwei Tagen.

Es wurde Zeit weiter zu segeln. Meine Schwester hatte einen Flug gebucht um mich in Fiji zu besuchen und uns blieben nur noch etwas mehr als drei Wochen um die rund 1800 Seemeilen (3300km ) zurückzulegen.

Uns standen mehrere Routen mit unterschiedlichen Zwischenstopps zur Verfügung. Zwei Inseln, Maupiti und Maupihaa in Französisch Polynesien, vielen leider aus. Das Wetter war zu schlecht, die Wellen kamen aus Süden und machten so die Einfahrt zu den Atollen unbrauchbar.

Die Cookinseln – 500 Seemeilen entfernt hatten immer noch starke Coronabeschränkungen und zudem Ein- & Ausreisegebühren die für einen kurzen Zwischenstopp viel zu saftig waren.

Dafür wurde uns von einem Riff mitten im Pazifischen Ozean erzählt: Das gerade einmal sieben Kilometer lange Beveridge Riff erhebt sich aus 5000 Metern Tiefe bis knapp unter die Meeresoberfläche. Eine kleine Einfahrt im Westen des Riffrings ermöglicht es im Inneren der Lagune auf 10 Meter Wassertiefe zu ankern. Auf Google Satellitenbildern war nichts zu erkennen; Luftaufnahmen aus einem Flugzeug gaben uns aber schließlich eine Idee von dem, was uns dort erwarten soll.

Die Entscheidung war gefallen! Wir nahmen den Umweg nach Süden in Kauf. Unbedingt wollten wir das Riff besuchen und dann je nach Wetter entweder nach amerikanisch Samoa oder direkt nach Fiji weitersegeln.

Nach drei Monaten in Französisch Polynesien war es an der Zeit sich zu verabschieden. Wir füllten unsere Vorräte auf, bunkerten Frischwasser, verstauten das Beiboot sicher an Deck und lichteten den Anker.

Von Anfang an waren die Wellen groß. Vier Meter hoch türmten sie sich hinter dem Boot auf, hebten uns an und rauschten unter dem Schiff hindurch. Waren wir im Wellental verschwand der Horizont; hoch oben dem Wellenberg erstreckt er sich ewig in die endlose Ferne.

Diese Reise ist mein Traum, den ich mir unter anderem mit dem Schreiben von Artikeln finanziere. Wenn auch du mich unterstützen möchtest freue ich mich sehr über eine symbolische Einladung zu einer Brotzeit!

Vielen Dank!

Manchmal brachen die Wellen genau hinter uns. Dann wurde meine WASA von ihrem Sog erfasst und surfte mit sechs/ sieben oder acht Knoten in das Wellental hinab. Der Bug bohrte sich tief in das Wasser hinein, das Boot bremste ab und schlug leicht quer. Niemals so, dass es richtig gefährlich wurde aber hin und wieder schwappte das Wasser über die Bordwand in das Cockpit und durchnässte Decken, Kissen und Segler.

Am dritten Tag notierte ich in meinem Tagebuch: „Immer noch ungemütlich. Die Backbordbank im Cockpit gilt als gefährlich. – regelmäßig schwappen wellen über den Süllrand. Bagamon scheitert an herumfliegenden Steinchen.

Beveridge Reef hätten wir bereits in der achten Nacht erreichen können. In der Karte war vermerkt, dass die eingezeichnete Position des Riffes um bis zu drei Seemeilen vom eigentlichen Standort abweichen kann. Da noch dazu kein Teil des Riffes vollständig über der Wasseroberfläche liegt, war die einzige Möglichkeit die drohende Gefahr auszumachen, die am Riff brechenden Wellen zu entdecken!

Eine Annäherung in Dunkelheit wäre höchst gefährlich gewesen! Wir refften daher schon am vorherigen Abend die Segel sodass wir mit drei Knoten Fahrt gerade noch sicher Kurs halten konnten. Sobald die Sonne aufgegangen war reckten wir unsere Köpfe in Richtung Westen und scannten gespannt den Horizont nach brechenden Wellen.

Um neun Uhr – wir waren nur noch maximal zwei Meilen von der eingezeichneten Position entfernt konnten wir am Horizont beständige weiße Schaumkronen erkennen. Brechende Wellen! „Das Riff ist da!“

Wir näherten uns vorsichtig, immer auf der Hut den gefährlichen Strudeln nicht zu nahe zu kommen und erreichten schließlich die geschützte, Wind abgewandte Seite des Riffs. Auf Halbwindkurs folgten wir dessen Verlauf um den Pass, den Eingang in den Ring, zu finden.

Wir bargen die Segel und versuchten unter Motor gegen den Wind und gegen die auslaufende Strömung durch den Pass zu Motoren: Keine Chance! – Dafür waren meine 16 PS einfach nicht stark genug. Die einzige Möglichkeit doch noch in die (vermeintlich) ruhige Lagune zu kommen war die Segel zu setzen und gegen an zu kreuzen.

Die Karte war ungenau, aber im kristallklaren Wasser zeichnete sich der Pass recht gut gegen die bräunliche Färbung des Riffes ab. Er war zwar nur 200 Meter breit und auch nur 200 Meter lang, aber  trotzdem mussten wir fünf Wenden segeln um bis in das innere der Lagune vorzustoßen. Fünf Wenden, die mich mehr Nerven kosteten, als alles andere zuvor: Ein Fehler und das Schiff würde auf dem Riff zerschellen! Mehrere hundert Seemeilen vom nächsten sicheren Hafen entfernt.

Endlich fuhren wir unsere letzte Wende und segelten in deutlich ruhigerem Wasser die letzten 20 Minuten bis auf die andere Seite des Riffs. Wir schmissen den Anker und feierten die erste bestandene Etappe.

Kurz vor uns kam noch ein anderes Boot nach Beveridge Reef. Jeanne und Lionel, ein älteres französisches Pärchen ankerte ihr Boot NOBNOB nur ein paar Meter neben uns. Wir hatten kurz zuvor einen ordentlichen Mahi Mahi gefangen und so riefen wir sie über Funk und vereinbarten später zusammen zu Abend zu essen.

Wir speisten wie die Götter! Frischer Fisch zusammen mit etwas Gemüse und Kartoffeln im Rohr gebacken, dazu ein kleiner Salat – himmlisch! Hinterher gab es ganz nach französischer Art leckeren Käse und roten Wein.

Lionel und Jeanne erzählten uns, dass schon kurz nach Abfahrt in Bora Bora ihr Autopilot den Geist auf gabi und zusätzlich allerlei weitere Sachen kaputt gingen. Der Laptop hat Wasser abbekommen und die Grauwasserpumpen gaben ihren Geist auf. Fünf Tage lang mussten die beiden das Boot per Hand steuern. Sie wechselten sich alle zwei Stunden ab, schliefen so gut es eben ging in den hohen Wellen. Beveridge Reef war für sie ein Notstopp um Kräfte zu sammeln um anschließend noch einmal dieselbe Strecke bis nach FIji zurückzulegen.

Ich versprach ihnen, am nächsten Morgen einen Blick auf den Piloten zu werfen um mit ihnen eine Lösung zu finden. Der Bolzen der den hydraulischen Hebelarm mit dem Ruderquadrant verband war gebrochen: 13mm dicker Edelstahl wurde einfach so in zwei geteilt! Dabei war nicht nur der Bolzen kaputt gegangen, sondern auch das Gewinde im Aluminium des Quadranten wurde unbrauchbar.

Nach einigem hin und her fanden wir die Lösung: Ich schnitt ein neues Gewinde in den Quadranten und nutze die Bruchstücke des alten Bolzens um den Autopiloten zu verbinden. Dann verkonterte ich die Schrauben so miteinander, dass sie sich auch trotz der heftiger Vibrationen beim Segeln nicht öffnen würden.

Wir aßen noch einmal zusammen zu Mittag, dann lichteten wir unseren Anker: Das Wetter meinte es einfach nicht gut mit uns. Die Wellen waren zu hoch und schwappten ständig über das Riff. Sie ließen WASA regelrecht auf und ab hüpfen und bescherten uns eine schlaflose Nacht die wir nicht wiederholen brauchten.

Von NOBNOB erfuhren wir zudem, dass erstens: West – Samoa nach über drei Jahren Covidstopp seine Grenzen wieder für Touristen geöffnet hatte. Und zweitens, über ihr Satellitenwetter, dass die Bedingungen noch schlechter werden und ein Sturm mit über 50 Knoten Wind in unsere Richtung zieht. Fiji hätten wir nicht mehr sicher erreicht. Aber mit einem Kurswechsel stur nach Norden konnten wir dem Sturm ausweichen und als zehntes Schiff nach Grenzöffnung in West Samoa einklarieren!

Ein paar Tage später erreichte uns eine Nachricht von Jeanne und Lionel: „Wir sind gestern gut in Savu Savu angekommen. Dank dir funktionierte der Autopilot bis nach Fiji.“.

Ich war richtig glücklich!