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Meine erste Überfahrt

von | Mai 24, 2020 | Umbau

Eigentlich wartete ich seit dem ich hier bin darauf, mein Boot von Olhao nach Lagos überführen zu können. Diesen Mittwoch war es dann endlich soweit! Ich hatte grünes Licht und einen Termin zum Auskranen in Lagos bekommen. Ich konnte meinen Arbeitsplatz endlich nach Lagos verlegen. Viel wichtiger aber: Es war das erste Mal überhaupt, dass ich die WASA segeln konnte!

Wie ich bereits im vorherigen Eintrag geschrieben hatte, war damit zu rechnen, dass es am 18ten Mai neue Lockerungen bei den Coronabestimmungen geben sollte. Auf dem Rückweg von Olhao nach Lagos am Freitag zuvor telefonierte ich deshalb schon mit der Werft in Lagos und vereinbarte einen Termin zum Auskranen am Donnerstag, 15 Uhr.

Zwischen den beiden Werften liegt eine Seestrecke von ungefähr 45sm (83km ). Ich rechnete mir aus, diese bei guten Bedingungen in neun bis zehn Stunden schaffen zu können. Bevor ich jedoch den Atlantik erreichen konnte, musste ich zuerst durch das vorgelagerte Rio Formosa System mit vielen kleinen Inselchen, einigen Ankerplätzen und einem recht engen und flachen Fahrwasser. Um durch die „Ausfahrt“ auf das Meer hinaus gelangen zu können, musste ich den Höhepunkt der Flut abwarten. Ich hätte bei auflaufendem Wasser oder Ebbe nicht nur mit meinem Tiefgang Probleme bekommen, sondern ich wäre aufgrund des Tidenstroms auch gar nicht, oder nur sehr schwer auf das offene Meer hinaus gekommen. (Fast) Das gesamte Wasser des Rio Formosas strömt mit der Tide durch die kleine Öffnung am Ende. Je nach dem kann dann ein Strom von bis zu sieben Knoten entstehen. Zum Vergleich, meine normale Reisegeschwindigkeit mit Motor liegt etwas bei 4,5 kn!

Höchststand war für 14 Uhr vorhergesagt. Also wurde mein Termin  zum Einwassern für Mittwoch gg. Mittag gelegt. So würde ich bei Hochwasser die Ausfahrt erreichen.

Da ich ja schon so ziemlich alles aus dem Rumpf ausgebaut hatte, gab es noch ein paar Dinge, die es zu erledigen gab. Ich wolle alles an einem Stück fahren, um dann in der Nacht in Lagos anzukommen. Also musste die Positionsbeleuchtung wieder angeschlossen, der Autopilot montiert, die Ankerwinde angeschraubt und die Segel anschlagen werden.

Pünktlich, kurz vor der Mittags-pause wurde ich ins Wasser gesetzt. Zusammen mit Luis, dem Werftleiter, überprüfte ich, dass der Motor auch unter Last noch gut funktionierte und alle Borddurchlässe (Die Durch-führungen unterhalb der Wasserlinie, für Wasserspü-lungen, Motorkühlung, etc.) dicht waren.

Und Los gings! Es war ein ziemlich, ziemlich gutes Gefühl, dass alles so gut klappte und ich die WASA endlich selbst testen konnte!

Zunächst führte mich die Route im Zick Zack durch das enge Fahrwasser zwischen den flachen Inselchen. Es war manchmal doch etwas irritierend, abbiegen zu müssen, obwohl es doch geradeaus nach freier Bahn aussah. – Ziemlich sicher wäre ich beim Versuch abzukürzen irgendwo auf Grund gelaufen!

Auch die Ausfahrt war kein Problem. Es war fast kein Strom spürbar. Auf dem freien Meer konnte ich dann die Segel setzen und dümpelte bei etwa 2 Windstärken in Richtung Lagos.

Abends frischte der Wind dann plötzlich auf. Anstatt zwei waren es jetzt bestimmt vier, wenn nicht sogar fünf Windstärken genau aus Fahrtrichtung. Auch die Wellen wuchsen ziemlich schnell. Gerade wollte ich loslegen die Segel zu reffen, als die Schubstange des Autopiloten abknickte und das Boot sonst wo hinsteuerte. Jetzt hatte ich zwei Baustellen auf einmal. Den kaputten Autopiloten und mein halb runtergelassenes Großsegel. Das Segel ließ ich erstmal so wie es war und kümmerte mich um den Autopiloten. Denn ich hatte keine Chance die Segel wieder vernünftig zu setzen, solange der Autopilot das Schiff nicht im Wind hielt. Mit Panzertape und zwei Spleißnadeln improvisierte ich eine Art Schiene für die Schubstange.

Bis ich die WASA wirklich wieder komplett unter Kontrolle hatte vergiengen zwei Stunden. Der schnelle Wechsel von „Chillmodus“ auf „ja was ist denn hier eigentlich loß??“ überraschte mich doch ganz schön. Fallen und Leinen waren durch die lange Nichtbenutzung ganz schön steif geworden und klemmten andauernd bei dem Druck im Segel.

Die Schubstange knickte an einer bereits „geflickten“ Stelle

Das Boot sprang von einer Welle in die nächste. Auch die Dose Muschelpastete, die ich weil sie so lecker war komplett verdrückt hatte, machte sich jetzt deutlich im Magen bemerkbar.

Da Wind und die Wellen von vorne kamen, hätte ich also entweder bis nach Lagos aufkreuzen, oder mit Motor gegen an fahren müssen. Beide Optionen hätten mich bestimmt noch mal zehn Stunden gekostet. Dabei war es bereits um halb sieben Uhr abends. Also entschloss ich mich doch lieber über Nacht in einem Hafen zu übernachten. Der Blick auf die Karte führte mich nach Villamoura.

Bei der Einfahrt in den Hafen stellte ich fest, dass ich mir hier wohl einen recht noblen ausgesucht hatte. Aber ich hatte Glück! Als ich am Receptionssteg festmachte hatten die Angestellten bereits Feierabend. Ein vorbei-kommender Mitarbeiter gab mir nach kurzem Gespräch den Tipp, dass mich, wenn ich morgen früh weg bin bevor der Chef ankommt, bestimmt keiner verfolgen würde um mir die Liegeplatzgebühr abzunehmen. Ich war dankbar für diesen Ratschlag und verbrachte die Nacht am Schwimm-steg. Ich reparierte noch notdürftig den Autopiloten und überarbeitete die Leinenführung an den Segeln und ging dann Schlafen. – Mit meinem Seesack als Unterlage und meiner Regenjacke als Decke :“). Ich hatte ja nicht geplant zu übernachten und irgendwelche Polster hatte ich auch nicht mehr an Bord.

Am nächsten Morgen verschwand ich schon um halb sieben und hatte bis nach Lagos Traumwetter, manchmal ein kleines Lüftchen zum Segeln und meinem Bauch ging es auch wieder gut. Der Autopilot arbeitete wieder tadellos. 

Kurz vor drei lief ich in die Hafeneinfahrt von Lagos ein, wo mich Christian und Gabriela winkend in Empfang nahmen und ein Foto nach dem anderen machten. Nach kurzem Warten im Werfthafen wurde ich auch schon wieder aus dem Wasser gehoben und auf dem Gelände geparkt. Wir beendeten den Tag mit ein paar Bier und leckerer Pizza.

Ich habe mich in der Werft für weitere drei Monate eingebucht und möchte jetzt richtig loslegen um alle wichtigen Arbeiten zu schaffen und schnellstmöglich wieder ins Wasser zu kommen!!