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Oh, wie schön ist Panama?

von | Sep 20, 2021 | Atlantik, Karibik, Panama

1978 brachen der kleine Tiger und der kleine Bär auf zu ihrer Reise nach Panama. Geleitet durch einen selbstgemachten Wegweiser und Richtungsangaben anderer Tiere erreichen die beiden schlussendlich den Ort ihrer Träume.

43 Jahre später, am Morgen des vergangenen Montags und am Ende meiner Überfahrt trat zum ersten Mal die Küstenlinie des Traumlandes der zwei Freunde, aus dem Dickicht von Gewitterwolken hervor.

Acht Tage und fünf Stunden dauerte die Reise von Bonair nach Linton Bay/ Panama und war somit, nach der Atlantiküberquerung, meine zweitlängste Überfahrt:

Am sechsten September, ein Tag vor meinem Geburtstag, holten wir die Leinen ein und setzten Kurs Richtung Westen. Wir, das waren diesmal Sofie, eine Dänin in meinem Alter und ich. Sofie hatte ich in Curacao getroffen, als sie noch Gast auf einem anderen dänischen Boot war. 

Ihre Zeit an Bord ging dem Ende zu und sie suchte nach einer Möglichkeit, ohne Flugzeug, nach Panama zu gelangen und um dort ihre Reise an Land fortzusetzen.

Ich hatte leere Kojen und wollte schon länger auch mal ausprobieren, wie es ist, mit fremder Crew zu segeln. So war es recht schnell beschlossene Sache, die rund 830 Seemeilen lange Passage gemeinsam anzutreten.

Diese Etappe ist unter Seglern als anspruchsvoll, ungemütlich bis schwierig bekannt. Ein Blick auf die Karte lässt erkennen, dass der Atlantik wie in einem Trichter, im karibischen Meer „endet“. Die vorherrschenden Passatwinde erfahren um die nördliche Spitze Kolumbiens einen Düseneffekt und nehmen in ihrer Stärke um ein paar Knoten zu. Wellen, welche viel Zeit hatten, sich über den Atlantik hinweg aufzubauen, treffen auf flachere Tiefenlinien (1000m) und werden dadurch größer und steiler. Zu guter Letzt trifft hier der Nordäquatorialstrom gegen die Küste Mittelamerikas, wird reflektiert und strömt wieder zurück. Bei schlechten Bedingungen entstehen leicht wirre Seen mit starken, teils stürmischen Winden und Wellen aus allen Richtungen.

Komplettes Gegenteil am Ende der Passage: Etwa 100 Seemeilen von der Küste Panamas entfernt bekommt der Passat Gegenwind vom Pazifik. Die Folge für Segler ist, dass sich kurz vorm Ziel ein riesiges Windloch auftut, in welchem man auch noch gegen die Strömung ankämpfen muss. Starke, heftige Gewitter mit viel Regen und auch Blitzen gehören hier ständig dazu.

Mit der Wetterrouting App von Daniel und Antonia konnten wir im Vorfeld, eine optimale Route (sehe hier die tatsächlichen Routenverlauf) berechnen, die ich mir auf meinem Kartenplotter speicherte und mir bei der Ausrichtung des Kurses eine große Hilfe war.

Um den oben erwähnten Gegenstrom zu vermeiden und solange wie möglich im Windfeld zu bleiben, segelten wir in den ersten zwei Tagen zunächst in nordwestlicher Richtung.

Später drehten wir dann erst auf West und schließlich auf Südwest und folgten so, mit großem Abstand der Küstenlinie Kolumbiens. Erst nach dem fünften Tag, als der Wind schon fast eingeschlafen und wir auf derselben Höhe mit Colon waren, bogen wir noch einmal um 60° nach links ab und steuerten direkt auf unser Ziel zu.

Die, anhand von verschiedenen Wettermodellen berechete, schnellste Route nach Panama. Der Umweg rechnet sich. Obwohl es rund 150 Seemeilen mehr zu segeln waren als mit direkterem Kurs, wir blieben so frei von der Gegenströmung und ersparten uns in etwa drei Tage Fahrzeit,
Gewaltige Containerschiffe zieren den Weg nach Panama

 

Schon am Tag der Abfahrt bemerkte ich wieder einmal einen Riss in der großen Genua. Wir fuhren, wie ich es sehr gerne mache mit Passatbesegelung, hatten also zwei Vorsegel auf die Rolleinrichtung gezogen und jeweils eines zu jeder Seite des Bootes ausgebaumt. Ich musste also, wie schon damals auf dem Atlantik zunächst beide Segel bergen, bevor ich das Kaputte abnehmen und anschließend die kleinere Genua wieder setzen konnte. Rund 50 Minuten Arbeit bei Seegang und 30° Celsius. Ein grandioser Einstieg und mit flauen Magen Grund genug, die Zeit bis zum Abend nur noch mit dösen zu verbringen.

Die Nachtschichten legten wir auf einen drei Stunden Rhythmus fest. Beginnend mit Sonnenuntergang, hat der Wachehaltende mindestens alle 15 Minuten Ausschau zu halten und die Instrumente, Kurs, Windstärke und Richtung zu überprüfen. Die andere Person kann in der Zwischenzeit entweder drinnen oder draußen im Cockpit schlafen.

Vier Tage lang war es feinstes Segeln, aber eigentlich immer dasselbe: Die Windfahnensteuerung hielt uns bis auf kleine Korrekturen immer auf Kurs und wir beschäftigten uns mit kochen (diesmal vegan, da Sofie Veganerin ist), lesen und dem nähen der verschiedenen Risse im Segel. Highlight an meinem Geburtstag: Frischer Schokoladenkuchen von Sofie!!

Am Abend des sechsten Tages mussten wir dann den Motor starten. Der Wind war endgültig eingeschlafen und die große Genua, frisch genäht, riss gleich ein weiteres Mal als ich versuchte,  die letzten Briesen mit ihr einzufangen.

Von nun an wummerte 75 Stunden am Stück der Motor! Es war ziemlich frustrierend. Laut, langsam und gegen mein Verständnis des Segelns. Noch nie lief der Motor solange am Stück! Aber etwas anderes war kaum möglich. Tagsüber konnte ich zumindest noch das Leichtwindsegel hissen um ein bisschen mehr Vortrieb zu bekommen. Nachts traute ich mich aufgrund der vielen Gewitter allerdings nicht das Segel stehen zu lassen. Zwar blieb der Wind meistens aus, dennoch wollte ich nicht riskieren plötzlich 30 oder gar 40 Knoten mit dem Riesentuch aufzufangen.

Um 19 Uhr Ortszeit, kurz vor Sonnenuntergang, erreichten wir unser Ziel, Linton Bay. Ich war überrascht, denn zum ersten Mal, waren meine Seekarten auf dem Handy oder Kartenplotter überhaupt keine Hilfe. Tiefenangaben oder Riffe existieren in ihnen nicht. Die einzige Möglichkeit, in Küstennähe sicher zu navigieren sind die Seekarten im „Panama Cruising Guide“ von Erik Bauhaus, welchen mir glücklicherweise meine Oma zuhause besorgen und meinen Eltern zum Besuch auf Curacao mitgeben konnte. 

So schafften wir es, in Schlangenlinien um die Riffe herum, sicher in den geschützten Hafen zu manövrieren.

Sofie ist mittlerweile in Panama City mit einem Freund unterwegs.
Die kaputte Genua habe ich einem Segelmacher gegeben, der sich und mir verspricht, mit einem aufgeklebten und vernähten Sonnenschutz die betroffenen Bereiche zu verstärken und dem Segel so noch ein paar Seemeilen zu ermöglichen.
Einreiseformalitäten sind soweit erledigt und gestern ist Sofien, ein Freund Daheim mit aufs Boot gekommen. Wir reparieren in den nächsten Tagen noch das Dinghy, machen in Panama City einen Großeinkauf und wollen anschließend für ein bis drei Wochen zu den San Blas Inseln segeln.

Wie schön ist Panama? – Wir finden es heraus!

Beinahe Kollision auf See!

Name:        ICOA URU
Callsign:    YYMM
Next Port: Marrier/ Cuba
Position:    13°50’80“N ; 071°49’19“W

 

Am dritten Tag kollidierten wir beinahe mit diesem alten, rostigen, Seelenverkäufer.

Es war gerade halb acht Uhr morgens, sprich ich hatte mich gerade von der Nachtschicht erholt, freute mich über die ersten Sonnenstrahlen und döste im Cockpit, als unter Deck der AIS Alarm ansprang. Nicht das erste und auch nicht das letzte Mal der Überfahrt.

Der Computer schlägt Alarm, sobald ein Schiff in einen zwei Meilen Sicherheitskorridor rund um die WASA eindringt. In einem Infofenster kann ich dann überprüfen, um welche Art Schiff es sich handelt und am wichtigsten, ich kann sehen, wie nahe wir uns wann genau kommen werden. In diesem Fall berechnete das automatische Identifikationssystem (AIS) eine Annäherung auf bis zu 10 – 100Meter.

Viel zu nah!

Ich funkte den Kapitän des Containerschiffes an, fragte ihn, ob er uns sehe und forderte ihn dazu auf, uns auszuweichen. Denn, auf See haben Segelboote Vorfahrt vor Motorbooten aller Art. Ich jedoch hatte mein Großbaum mit einem Bullenstander gesichert und auch die Genua war mit einem Spibaum nach außen gehalten und in drei Richtungen abgespannt. – Einfach umdrehen geht so leider nicht so einfach. Der Kapitän hätte nur mit seinem Joystick den Kurs um ein paar Grad verändern müssen und wäre locker hinter uns durch unser Kielwasser gefahren.

Obwohl ich auf dem anderen Schiff gehört wurde, (sie antworteten in sehr abgehakten Sätzen) wichen sie nicht aus. Und plötzlich lagen tatsächlich nur noch ein paar hundert Meter zwischen uns! In größter Eile musste ich also auf dem Vordeck alle Leinen loswerfen um das Segel zu befreien, dann schnell wieder zurück ins Cockpit und die Pinne herum.

Ich glaube, der Frachter hätte uns echt erwischt! Nach unserem Ausweichmanöver jedoch, passierte er etwa in 300 Metern Abstand. Nahe genug, um zu erkennen, wie verfallen und rostig das Schiff ist!

Foto vom Kartenplotter: Die Rote Linie ist der Track des Frachters, die gestrichelte stellt mein Verlauf dar.

Ich wetterte ihnen noch einige Flüche und Beleidigungen hinterher, wurde dann aber von einem schlagenden Segel und den verhedderten Leinen daran erinnert, dass es noch was zu tun gab.

Nochmal gut gegangen! Aber ich merke es mir und nehme mir den Spruch meiner Eltern, welchen ich beim Thema Autofahren oft hören musste einmal mehr zu Herzen.: „Immer mit der Blödheit der anderen rechnen.“