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Überführungsfahrt

von | Dez 2, 2021 | Atlantik, Karibik

Nachdem die WASA endlich wieder schwamm, war der Stress noch nicht sofort vorbei. Ich wollte es noch vor Sonnenuntergang schaffen, die dreistündige Motorstrecke von Almirante nach Bocas Town zurückzulegen. Ein Ausflug stand bevor, und ich plante, mein Boot für zwei Wochen in die dortige Marina zu legen.

Max, ein Freund und Teil der PORQUENO – Crew arbeitete diesen Sommer drei Monate als Kapitän für eine Charterfirma in der Karibik.

Die Boote der Firma liegen an verschiedenen Standorten, verteilt in der gesamten Ostkaribik. Je nach Saison oder Nachfrage kann es vorkommen, dass sie an anderer Stelle gebraucht werden und dafür überführt werden müssen. So auch in diesem Fall. Die Segelsaison in den Bahamas war zu Ende. 900 Seemeilen südlicher, auf Sint Maarten hingegen standen Crews und Gäste in den Startlöchern, nach langwieriger Covidpause die Segel zu hissen. Nicht immer klappt es vor Ort einen Kapitän mit Crew für die Überführung zu finden. Dann muss Kapitän und Crew von weiter entfernten Orten eingeflogen werden.

Genau wie ich segelte Max zusammen mit seiner Schwester und Freund Daniel vor der Küste Panamas. Wir hatten sowieso geplant uns im Bocas del Torro zu treffen. Als er die Anfrage für die Überführung bekam, brauchte Max noch zwei weitere helfende Hände und fragte mich, ob ich ihn als „Deckhand“ unterstützen möchte.

Ich war sofort Feuer und Flamme!

So kam es also, dass wir am Samstagmorgen von Antonia an Land gefahren wurden, um den ersten Flieger von Bocas del Torro nach Panama City zu erwischen. Dort wechselten wir Flughafen und flogen mit Übernachtungsstopp in Miami auf die Bahamas.

Die Segelroute über das Meer von den Bahamas nach Sint Maarten zählt nicht unbedingt zu den gemütlichsten. Ganz generell lässt sich sagen, dass der Passat hier dauerhaft aus Ost/ Südost bläst. Die Route von dem Korallenarchipel zur niederländisch-/ französischen Insel Sint Maarten (fr.: St. Martin) führt ebenfalls nach Südost. Man würde auf direkter Linie also genau gegen Wind und Welle ankämpfen.

Im Weterbericht erkennen wir ein kleines Windloch, das genau über unseren Abfahrtshafen nach Osten zieht. Das gilt es zu nutzen! Wir wollen so schnell wie möglich nach Ankunft los.

Unser Plan: In dem Loch so weit wie möglich gegen Osten motoren. Nehmen Wind und Welle von vorn zu, drehen wir nach Süden ab und nehmen Kurs auf Sint Maarten. Durch den seitlichen Abstecher könnten wir ein paar Grad mehr Höhe zum Wind gewinnen und so die folgenden Meilen südwärts motorsegelnd zurücklegen. Wir würden nicht nur Zeit und Sprit sparen, sondern mit stehenden Segeln auch unseren Reisekomfort deutlich erhöhen.

Hier zu erkennen: Wir zielen in den ersten zweieinhalb Tagen genau nach Osten. Mit dem einfallen des WIndes drehen wir ab und nehmen Kurs auf Sint Maarten.

 

Der Aufenthalt auf den Bahamas war der kürzeste, den ich je in einem Land verbracht habe. Nachmittags checkten wir am Flughafen bei Customs und Immigration ein, wurden aber schon direkt am Ausgang abgefangen. Man brachte uns die Bootspapiere, sodass wir nach ein paar Unterschriften auf Crewliste und Haftungsausschlüssen direkt wieder auschecken konnten. Unsere offizielle Aufenthaltszeit auf den Bahamas betrug 20 Minuten.

Wir wurden zur Marina gefahren und während Max die Motoren, Leinen, Segel, etc auf dem Katamaran kontrollierte, schnappte ich mir den Pick – Up und erledigte den Verpflegungsrun. Die Basiscrew hatte bereits getankt und so konnten wir den Hafen noch vor Sonnenuntergang verlassen.

Der Plan ging auf! Zweieinhalb Tage konnten wir uns in dem Flautenbereich halten, ehe der Wind auf bis zu 30 Knoten zunahm und die Wellen wuchsen. Wir drehten nach Steuerbord ab und setzten direkten Kurs auf Sint Maarten.

Für mich war es das erste Mal Katamaransegeln. Max hat für das Gefühl, oben auf der Flybridge zu sitzen und via Knopfdruck Kurs und Segelltrimm zu bestimmen die perfekte Beschreibung gefunden. „Es ist wie Elefantenreiten“. Sechs Meter über der Wasseroberfläche erschienen die zwei bis drei Meter hohen Wellen wie Ameisen. Die Wellen versetzen den Zweirümpfer in abstruse Bewegungen, die meinen Vorstellungen von einem Elefantenritt durch den Urwald tatsächlich sehr nahekamen.

Das zu überführende Boot war eine Fountain Pajot Ipanema 58. Mit Badeplattform streckt sich die Französin über 60 Fuß und ist mit 29 Fuß genau so breit, wie meine WASA lang. In der Charterversion ist sie für 12 Gäste ausgelegt, die pärchenweise in sechs Kabinen Platz finden. Verglichen mit den zwei Alkoholflammen in meiner Pantry fiel mir beim Anblick der Katamaranküche die Kinnlade runter. (Das entstehende Loch ließ sich glücklicherweise direkt mit Vanilleeis aus dem Gefrierschrank schließen.) Fünf Flammen Gasherd, Backofen, Mixer, Mikrowelle, Kühlschrank, Eisfach, Geschirrspüler, Wasserkocher, ließen keinen Wunsch offen!

Frisch gefangener Fisch, ein Mahi Mahi/ Dorade gebraten auf der Haut mit Serviche und Curryreis von gestern 😉

Unterwegs lief nahezu durchgehend mindestens ein Motor. Katamarane mögen zwar auf Vorlichen-, bis hin zu Halbwindkursen gute Segeleigenschaften besitzen. Am Wind, höher als 60° ist allerdings ist ohne Motorunterstützung nichts zu machen!

Uns traf der Wind meistens in einem Winkel von 30 – 40°. Wir setzten die Segel um die Motorfahrt zu stabilisieren und konnten durch die Luftströmung auch ein bis zwei Knoten extra generieren. Mit etwas mehr als sechs Knoten im Schnitt erreichten wir unser Ziel nach nur sechs Tagen! Die Firma war von acht bis zehn Tagen ausgegangen und ein anderer Skipper, der gleichzeitig mit uns den Hafen auf den Bahamas verlassen hatte, aber eine andere Route, in der Deckung der Inseln wählte, schaffte es erst drei Tage später mit uns an der Bar anzustoßen.

In Punkto Komfort vor Anker oder Downwind sind diese riesigen Katamarane wohl kaum zu toppen. Obwohl auch bei starkem Seegang kaum eine Tasse auf dem Tisch verrutschte, empfand ich den Trip nicht unbedingt als angenehm. Die Wellen, die von unten gegen die Breite Brücke zwischen den Schwimmern donnern, lassen das Geschirr in den Schränken mächtig springen. Der Geräuschpegel ist enorm. Zu dem kontinuierlichem Motorlärm kommt das kontinuierliche Scheppern das an einen voll gedeckten Essenstisch erinnert, dessen Tischplatte von unten mit einem Knie getreten wird.

Die Bewegungen des Bootes waren kaum vorherzusehen und wesentlich abrupter als auf einem Einrümpfer und für mich auf Dauer sehr anstrengend.

Mein persönliches Fazit daher: Es spricht nichts dagegen, für kurz oder lang auf einem Katamaran zu wohnen oder zu cruisen. Vor allem mit Familie oder in etwas älteren Jahren bieten der Komfort und die normalerweise ruhigeren Segelbedingungen große Vorteile. Allerdings würde ich zum Segeln an sich immer einen Einrümpfer bevorzugen: Ein „halbes Boot“ bedeutet automatisch halbe Kosten. Am Wind genieße ich die deutlich bessere Segelperformance und  außerdem gefällt es mir, das Boot spüren zu können. 

Durch den Druck im Rigg, der sich durch Schräglage beim Segeln widerspiegelt kommuniziert der Einrümpfer mit seinem Skipper. Man spürt wann es zeit ist zu Reffen oder den Segeltrimm anderweitig zu verändern. Auf einem Zweirümpfern dieser Größe gibt es das nicht. Keine Schräglage und keine Kommunikation! Gerefft wird deshalb auch per Tabelle.

Und noch etwas hat sich bestätigt: Alle Boote gehen andauernd kaputt! Uns riss unterwegs die Reffleine des Großsegels, der Mantel der Furlingleine (Reffleine der Rollreffanlage) schabte durch, den Alarmpieper des Backbordmotors zwickten wir einfach ab und den auseinandergefallenen Gashebel reparierten wir noch in aller Eile vor der Durchfahrt durch die Brücke.

Der andere Skipper hatte unterwegs einen Motorkomplettausfall und zerriss sein drei Jahre altes Großsegel in zwei Teile. Andere Crews der Flotte klagten über explodierende oder ausgelaufene Fäkalientanks, kaputte Klimaanlage, kaputte Ankerwinde, kaputte Steuerelektronik, kaputte Kühlschränke und kaputte Dinghies.

Angekommen auf Sint Maarten verbrachten wir erst eine Nacht in Simpson Bay vor Anker, ehe wir am nächsten Tag durch die kleine Hubbrücke in Simpson Bay Lagoon einfuhren. Die vier Tage bis zur Abreise wohnten wir auf dem Boot und trafen Bekannte von Max. Zusammen fuhren wir über die Insel, verbrachten ein paar schöne Stunden am Strand, gingen Abends in Bars und ließen es uns richtig gut gehen.