In der Hauptankerbucht von Hiva Oa blieben wir fünf Tage. Der Platz unweit des Ortes Atuona kam uns recht gelegen, um das Boot aufzuklarieren und um frisches Gemüse und andere Sachen zu besorgen.
Bei einem Spaziergang durch Atuona traf ich ein paar Kids, die sich zusammen mit ihrem Lehrer auf eine Surfsession vorbereiteten. Seit Beginn der Reise schleppe ich mein altes Surfboard mit mir herum. Es ist die meiste Zeit am Bug fest gelascht und eigentlich zu klein für mein Gewicht und Können, aber hier und da fand ich bereits ein paar Wellen zum reiten.
Während sich die Kids auf den Weg ins Wasser machten, erkundigte ich mich bei ihrem Lehrer nach ein paar Tipps: „Bei welcher Tide laufen die Wellen?“. „Irgendwelche besonderen Strömungen?“, und „kommt ihr morgen Nachmittag wieder hierher?“. Allein wäre ich wahrscheinlich nicht surfen gegangen, aber der Surflehrer bot mir gleich an mit seinen Jungs ins Wasser zu springen und dafür einfach ein Bord der Schule auszuleihen!
Die Kids surften schon richtig gut; für mich war es echt schwierig, überhaupt eine Welle zu erwischen. Trotzdem hatten wir eine Menge Spaß! „Allez Paul, Allez Paul!“, feuerten sie mich an.- Nur um in schallendes Gelächter auszubrechen, wenn ich von den Wellen vom Bord geworfen wurde.
In der Bucht von Atuona trafen wir einige bekannte Gesichter wieder. Nach ihrem Desaster auf See, machte BLUE BERYLL Landfall in der Bucht und auch Gretje und Niels von BLACK MOON standen mit ihrem Boot auf dem Werftgelände.
Am Sonntag kam EMMA in die Bucht gesegelt. Wir hatten Kurt, Adrian und den Rest der Crew zum ersten Mal auf Fatu Hiva getroffen und dort ein paar Abende miteinander verbracht. EMMA ist eine 62 Fuß lange Aluminiumyacht, die ebenfalls auf dem Weg ist einmal um die Welt zu segeln.
Emma (also meine Emma), wurde eingeladen, irgendwann Mal für ein paar Monate mitzusegeln. Deshalb dachten wir, es wäre doch cool wenn sie jetzt schon ein paar Tage auf dem anderen Schiff mitsegeln könnte um die Erfahrung mitnehmen zu können. Es ist doch ein ziemlicher Unterschied auf der neun Meter langen WASA oder einer 20 Meter großen Aluminiumyacht zu segeln!
Unser erstes Ziel war eine kleine Bucht im Nordwesten Hiva Oa’s: Hanamenu – ein kleines Paradies! Drei Leute leben normalerweise in dem kleinen Dorf. Das Tal ist bewirtschaftet. Kokospalmen und Mangobäume, Grapefruits und Zitronen wachsen überall. Eine Quelle kommt direkt aus dem Berg und füllt einen kleinen Naturpool mit kristallklarem, kühlem Wasser.
Gesagt; getan! Für die nächsten zwei Wochen blieb Emma auf EMMA und ich segelte Mal wieder ein paar Meilen einhand auf meiner WASA. Wir blieben zusammen als kleine „Flotte“, was man im Seglerjargon „buddyboating“ nennt.
Auf ihrem Erkundungstrip lernten Emma und Adrian Eugin kennen. Er lebt seit ein paar Jahren in dem Tal und lud uns ein, ihn am nächsten Morgen zur Ziegenjagt zu begleiten. Ich war noch nie auf einer Jagt und deshalb sofort Feuer und Flamme!
Um fünf Uhr morgens trafen wir uns alle bei Eugin im Garten. Adrian, Emma, Kurt und ich. Nach einem schnellen Kaffee starteten wir den Aufstieg im Laufschritt durch ein trockenes Flussbett. Nach drei Stunden anstrengendem Marsh kam plötzlich das Zeichen zum Stehen bleiben. – Eugin hatte ein Schnauben gehört! Wir warteten. Eugin schlich um einen großen Felsen herum und kurz darauf knallten zwei Schüsse.
Noch vor Ort zeigte uns Eugin wie man die Ziege richtig zerlegt und in transportgroße Stücke zerteilt, um sie anschließend in extra mitgebrachten Rucksäcken wieder zurück zum Haus transportieren zu können.
Der Trip war anstrengend! Nach über sechs Stunden waren wir wieder zurück und fingen sofort an ein Feuer zu machen. Ein Teil des Fleisches froren wir ein, den anderen kochten wir für eine Stunde und grillten es anschließend. Es schmeckte fantastisch! – Das Fleisch war zart und Eugins selbstgemachte Marinade war ein echter Hammer!
Wir blieben eine weitere Nacht, hissten dann aber am nächsten Morgen die Segel und machten uns auf den 60 Seemeilen langen weg zur nächsten Insel Ua Pou. Während EMMA die Strecke mit Motor in gerade einmal neun Stunden zurücklegte, brauchte ich aufgrund des fehlenden Windes und kleinen Motors mehr als 14.
Ua Pou ist gerade einmal halb so groß wie Hiva Oa. Dafür ist „Skyline“ der Insel um einiges attraktiver. Drei Steinsäulen stechen nahezu senkrecht aus der hügeligen Landschaft. Diese Säulen sind Überbleibsel aus der Entstehungsgeschichte der Insel. Die Vulkankrater sind über die Jahrtausende wegerodiert. Stehen geblieben ist das Innere; das Magma, das noch im Vulkan gehärtet ist.
Mit Adrian habe ich zwei Wanderungen gemacht. Eine quer über die Insel und eine andere auf einem Rundweg um diese Säulen herum. Die Vorstellung, die letzten Überbleibsel eines Lava spuckenden Riesen vor mir zu haben beeindruckte mich gewaltig!
Von Ua Pou ging es noch einmal zurück nach Nuku Hiva. Hier füllten wir unsere Vorräte an frischem Obst, Gemüse und Wasser auf und bereiteten uns auf die Überfahrt nach Makemo, einem Atoll in den Tuamotus vor.
Kleines Wörterbuch zum Segeln in den Tuamotus:
- Tuamotus: Inselgruppe in Französisch Polynesien; auf dem Weg zwischen den Marquesas Inseln und Tahiti und Moorea(Gesellschaftsinseln).
- Motu: Anderer Name für eine kleine Insel auf einem Korallenriff
- Atoll: Ein Ring aus Korallenriff. Teilweise mit kleinen und größeren Motus auf denen vereinzelt Menschen leben.
- Pass: Die meisten Atolle haben einen Pass, eine Art Durchfahrt, um ins geschützte Innere des Atolls zu kommen.
- Slack water: Die Strömungen an den Pässen ist aufgrund der Gezeitenunterschiede enorm! Sie kann im schlimmsten Fall bis zu 20 Knoten schnell sein. Das Ein- und Ausfahren aus dem Atoll ist meistens nur bei Slackwater (kurz slack) möglich. Slack ist, wenn sich die Strömungen von Ebbe und Flut abwechseln und das Wasser für ein paar Minuten still steht
Am Abend vor unserer Abfahrt unterhielt ich mich mit ein paar Jungs und Mädels am Dinghydock von Nuku Hiva. Wir tranken ein paar Bier zusammen und ich fand heraus, dass Gabriel („G“), eine Mitfahrgelegenheit nach Tahiti sucht.
Ich hatte mir schon länger überlegt, dass es eigentlich cool wäre, spontan eine dritte Person mit an Bord zu nehmen und wollte es gerne mit G versuchen. Emma und ich besprachen uns kurz und waren uns einig es auszuprobieren.
Ein Tag später kam G an Bord. Er schläft jetzt im Saloon; für seine Sachen haben wir zwei Fächer freigeräumt und den Rest in Taschen verstaut. Es passt perfekt! – Die 500 Seemeilen Überfahrt zu den Tuamotus bestritten wir zu dritt!
Am späten Nachmittag war dann endlich alles soweit verstaut und wir verließen wir die Ankerbucht von Nuku Hiva mit direktem Kurs auf Makemo.
Der Wind war perfekt. Mit 12 Knoten blies er aus SE und traf uns annähernd im rechten Winkel. Mit über 6 Knoten Bootsspeed rauschten wir durch das Wasser! Wir machten volle Fahrt bei voller Besegelung! Es war eine schiere Freude!
Dabei kommt es gar nicht so oft vor, auf solch einem günstigem Kurs segeln zu können. Aus irgendeinem Grund scheint der Wind beim Segeln immer entweder von vorne oder von hinten zu kommen, aber nie genau von der Seite. – Und keiner weiß wieso!
Auch die Nachtschichten waren zu dritt um ein Vielfaches entspannter als nur zu zweit! Wie schon auf der Pazifiküberquerung hatte ab Sonnenuntergang jeder von uns drei Stunden Wache und konnte anschließend schlafen gehen. Nur, waren wir diesmal zu dritt, was bedeutete, nach drei Stunden Wache konnte man sechs Stunden schlafen, anstatt nur drei! Luxus pur!
Am Morgen des vierten Tages kalkulierte ich unsere Geschwindigkeit und unsere Entfernung zum Ziel. Wir hatten noch 130 Seemeilen vor uns und müssten es bis um 15:30 Morgens des nächsten Tages bis zum Pass schaffen um während Slacktide den Pass durchqueren zu können.
Mit unserer aktuellen Bootsgeschwindigkeit, ungefähr 5 Knoten wären wir eine bis eineinhalb Stunden zu spät angekommen. Es wäre dunkel gewesen und wir hätten den vollen Strom gegen uns gehabt. Uns blieb nichts anderes übrig, als die Segel einzureffen und unsere Geschwindigkeit so weit zu reduzieren, dass die Windfahne gerade noch Kurs halten konnte. Wir mussten auf die Slacktide am nächsten Tag warten.
Mit zweieinhalb Knoten dümpelten wir von nun an über den Ozean. Langweilig; schaukelig; und vor allem laaangsam! – Immerhin, als kleine Wiedergutmachung organisierten wir am Abend eine richtige Filmnacht mit guter Jason Statham- Action, Popcorn und Gummibärchen!
Wir erreichten Makemo am nächsten Morgen genau zur richtigen Zeit. Es war aufregend! – Unsere erste Riffpassage in ein Atoll! Ein anderes Segelboot hatte sich hinter uns eingereiht. Wir setzten volle Segel und schafften es sogar hoch am Wind durch den Pass zu segeln (der Motor war sicherheitshalber an). Wir drehten nach rechts ab und schmissen den Anker kurz vor dem Dorf.
Geschafft! Um uns herum türkises Wasser; am Ufer Palmen und Sandstrand. Ein neues Paradies!