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Zeit, Segel zu setzen

von | Mai 24, 2023 | Australien, Neu Kaledonien, Pazifik

 mit mirSechs Monate Wohnen, Segeln und Reisen in Sydney. Die Überfahrt nach Neu Kaledonien; Wandern und Schnorcheln in der Lagoon. Es ist viel passiert!

Den Blog habe ich zum ersten Mal erst auf Englisch geschrieben und anschließend ins Deutsche übersetzt – normalerweise mache ich das anders herum, aber nach einem halben Jahr in Australien waren sogar meine Gedanken auf Englisch. Es war ein Versuch, aber wirklich gefallen hat es mir nicht.

Der Text war auch schon vor zwei Wochen fertig, nur leider wurde mein Laptop auf der Überfahrt hierher auch etwas in Mitleidenschaft gezogen. Aber dazu später mehr.

Ende Februar kamen meine Eltern nach Australien, um mich zu besuchen und mit mir gemeinsam Urlaub zu machen. Wir hatten uns mehr als ein Jahr lang nicht gesehen, und als ihre Ankunft in greifbare Nähe rückte, war ich voller Vorfreude. Wir würden uns in Tasmanien treffen, einer Insel, die nur ein paar Meilen südlich des Festlands liegt. Sie ist bekannt für ihre weite und unberührte Natur, für Tiere, die nur dort zu finden sind, und für viele gute Wanderwege.

Ich wollte eine schöne, erholsame und vor allem sorglose Zeit mit meinen Eltern verbringen. Daher beschloss ich, nicht mit dem Boot durch die Bass Straight nach Tasmanien zu segeln, sondern zu fliegen. Einen Vorgeschmack auf die Passage habe ich ja schon beim Sydney Hobart Race bekommen! Mit Hilfe eines Freundes war eine starke Mooring in Sydney schnell gefunden und ich verabschiedete mich ohne große Sorgen von meinem trauten Heim.

Mama und Papa kamen noch am selben Tag, nur ein paar Stunden später, am Flughafen in Hobart an. Wir fielen uns in die Arme und tauschten auf dem Weg zur Gepäckausgabe aufgeregt die neuesten Nachrichten aus

Um die Insel zu erkunden hatten wir einen Mietwagen. So waren wir ungebunden und konnten größere Entfernungen zwischen Wanderungen und verschiedenen Unterkünften leichter zurücklegen. Wir wanderten entlang der rauen Küstenlinie und bestaunen die „Pipes“ – über 100 Meter hoch , steil aus dem Meer ragende Felsen. Dort unten, wo kein Mensch hinkommt, genießen Robben und Pinguine das kühle Wasser.

Im Landesinneren wurde es sehr schnell heiß und das grüne Gras wurde braun. Meißt waren es Schafe, die auf den Weiden grasten. Diese Schafe sind Produzent der besten Merinowolle der Welt. Da meine Mutter eine Expertin in Sachen Wolle ist und zu Hause ein Woll- und Strickgeschäft besitzt, ließ sie sich die Gelegenheit nicht entgehen, eine der Merinofarmen zu besuchen.

Es war allerdings gar nicht so einfach, die richtige Farm zu finden. Wir kannten nur den Namen und ein vages Gebiet, in dem wir suchen mussten. Nach drei Stunden Fahrt landeten wir in einer kleinen Stadt namens „Bothwell“. Angeblich sollten wir hier die 8000 Hektar große Montecute Farm finden, die James und Richard Hallet gehört.

Nachdem wir ein paar Mal durch die Stadt gefahren waren und immer noch keine Ahnung hatten, wo genau diese Farm zu finden  sein sollte beschloss ich, an der Tankstelle nach dem Weg zu fragen. Ob du es glaubst oder nicht: Ich traf direkt auf einen der Hirten der Farm, die wir zu finden versuchten! In typischer Aussi-Manier jubelte er mir zu: „Yeah mate! Follow me – it’s just down that road‘ ey“.

Wir folgten ihm „just down that road“. Nach 15 Minütiger Verfolgungsjagt mit 120 km/h über die Landstraße begannen wir daran zu zweifeln, ob er uns wirklich zur Farm bringen würde. Oder hatte er uns einfach nur vergessen und war schon wieder auf dem Heimweg. Doch dann leuchteten endlich seine Bremslichter auf und das Auto wurde langsamer. Er lotste uns die letzten Meilen über einen Feldweg, der uns schlussendlich zur eigentlichen Farm führte. Geschafft!

Wir kamen mitten in der Mittagspause an und es tat uns ein bisschen leid, die Arbeiter in ihrer Ruhepause zu stören! Schafe scheren ist eine harte Arbeit! Auf dieser Farm alleine werden in nur ein paar Monaten 18.000 bis 20.000 Schafe geschoren! Nichtsdestotrotz waren alle sehr gastfreundlich und James und Richard führten uns ein wenig herum und erklärten uns den Prozess der Wollherstellung.

Nachdem wir acht Tage auf der Insel verbracht und unglaublich viel  Schönes gesehen hatten, kam ich dennoch zu dem Schluss, dass dies bei Weitem nicht genug war! Aber wir mussten weiterziehen! Meine Eltern hatten in Melbourne bereits einen Campervan gebucht, mit dem wir die Great Ocean Road entlangfahren und weiter die Küste bis Sydney erkunden wollten.

Es war eine tolle Zeit! – Ich fand es toll, endlich mal mehr vom Land zu sehen als nur Sydney. Ich liebte die kleinen und großen Wanderungen, die wir gemacht haben, und genoss die Restaurants, die wir besuchten. Am Besten aber war es, meinen Eltern für eine kurze Zeit Mal wieder so nahe zu sein! Wir fuhren zwei Wochen lang zusammen im selben Auto, haben darin zusammen geschlafen, gekocht und gegessen, aber trotzdem sind wir nie an einen Punkt gekommen, an dem wir uns gegenseitig übermäßig auf die Nerven gegangen wären.

Nachdem meine Eltern wieder gut Zuhause angekommen waren und ich mich wieder auf meinem Boot eingerichtet hatte, war es an der Zeit, das Geldverdienen und Sparen etwas ernster zu nehmen. Das meiste Geld, das ich bereits verdient hatte, investierte ich in das Abenteuer von Sydney nach Hobart und in mein neues, kommerziell endorstes Yachtmaster-Ticket.

Mit dem Schein in der Hand arbeitete ich als Skipper für Charterboat Central auf Kreuzfahrten im Hafen von Sydney. Wie könnte die Arbeit noch besser sein? Ich liebe es, auf dem Wasser zu sein, ich liebe es, Boote zu steuern, und ich liebe den Umgang mit Menschen. Auch wenn es bei den meisten dieser Charterfahrten gar nicht um das Segeln ging, sondern mehr darum, eine gute Zeit zu haben und eine große Party zu feiern, hatte ich immer eine gute Zeit!

Selfie mit meiner letzten Chartergruppe.

 

Schweißtreibender war meine Arbeit unter der Woche:

Als Bootsbauer wurde mir ein Projekt angeboten, bei dem ich den Innenraumrenovierung einer AMEL 47 übernehmen sollte. Vor allem am Anfang gab es viel zu schleifen und zu laminieren. Aber nachdem die schlimmsten und staubigsten Arbeiten abgeschlossen und die vordere Kajüte sowie das Heck des Bootes gestrichen waren, konnte ich mit neuen Projekten beginnen. Ich verlängerte das Bett in der Achterkajüte, baute neue Rahmen für die Fenster und erledigte einige andere kleine Holzarbeiten.

Nachdem ich die Boote anderer Leute repariert hatte, musste ich auch WASA für ihre nächste große Reise fertig machen. Bis auf wenige Ausnahmen stand die alte Dame fast ein halbes Jahr lang still! Die Windfahne hatte sich festgefressen und auch die Rollreffanlage brauchte etwas Liebe. Über Ostern zerlegte ich beides in seine Einzelteile, reinigte alle beweglichen Teile und die Lager von Korrosion, schmierte wo es nötig war, und baute anschließend alles wieder zusammen.

Meine Leinen und Schoten, die von der Sonne und Schamfilen auf mehr als 16.000 Seemeilen abgenutzt waren, mussten ersetzt werden. Feuerlöscher und kaputte Aufbewahrungsboxen mussten ersetzt werden, die Segel mussten hier und da genäht werden, und mein Motor war auch bereit für einen vollen Service. – Auch wenn auf meiner To-Do-Liste keine allzu schwierigen Aufgaben standen, dauerte es doch eine ganze Weile, bis alle Punkte abgehakt waren.

Zumindest die Crew für die nächste Etappe nach Neukaledonien stand schon lange fest:

Maya und Haydn haben sich für die 1200 Seemeilen lange Passage gemeldet. Maya ist Deutsche und ist gerade erst nach Sydney gezogen. Sie ist schon ein paar Tage mit meinem Freund Max in Panama gesegelt und wollte unbedingt mehr lernen.

Haydn und ich haben uns bei den montags und freitags stattfindenden Twilight-Races kennengelernt. Wir segelten beide auf Likealizad, und während wir zwischen den Manövern auf der Reling saßen und uns unterhielten, stellten wir fest, dass wir ähnliche Pläne und Träume haben.

Hayden war dabei, sein eigenes Boot segeltauglich zu machen, aber kurz vor Ende seiner Arbeit, als er sein Boot von Brisbane nach Sydney überführte, versagte eines der Terminals in seiner Takelage und der Mast brach entzwei! Ohne einen Mast ist ein Segelboot fast wertlos. Ein neues Rigg, neue Segel und neue Wanten sind so teuer wie ein gebrauchtes Boot selbst. Haydn musste seine Pläne, in dieser Saison zu segeln aufgeben, da nun erst einmal ein neues Rigg gefunden und finanziert werden muss.

Richtig stark, dass er trotz allem an seinem Traum festhält und die harte Arbeit an seinem Projekt fortsetzt!

Ich denke, ich kann den Schmerz und die Enttäuschung verstehen, die er empfunden haben muss, und möchte gar nicht erst wissen, was ein gebrochener Mast für mein Abenteuer bedeuten würde?!

Deshalb möchte ich kurz die Gelegenheit nutzen, um folgende Nachricht zu verbreiten:

Haydn sucht immer noch nach einem Mast. Gebraucht oder neu spielt dabei keine Rolle. Er sollte groß genug für eine Olympic 40 (40ft. Monohull) sein, aber auch klein genug, um in den Geldbeutel eines jungen Seglers zu passen.

Wenn du eine Idee hast oder jemanden kennst, der jemanden kennt, der einen geeigneten Mast oder Ideen haben könnte, sind wir super dankbar über eine NACHRICHT!

Am 15. April war die Besatzung komplett und das Boot bereit zum Ablegen. Wir hatten den folgenden Tag als Abreisetag für eine „Probefahrt“ die Küste hinauf nach New Castle festgelegt, aber die Wettervorhersage sah zu vielversprechend für einen direkten Start nach Noumea aus!

Das Schwierige an dieser Reise war, den starken, südwärts gerichteten Strömungen an der australischen Küste zu entkommen und dann gegen die Passatwinde in Richtung Neukaledonien zu kämpfen. Und die Vorhersage hatte uns nun genau das versprochen!! Zunächst fünf Tage lang Südwinde, die wir nutzen konnten, um der Küste zu entkommen, gefolgt von Südost- bis Ostwinden zum Ende der Woche. Viel besser konnte es nicht aussehen! In den ersten fünf Tagen der Passage fuhren wir so weit wie möglich nach Osten und änderten dann unseren Kurs nach Norden in Richtung Neukaledonien.

Günstiger Wind bedeutet jedoch nicht unbedingt gutes Wetter. Die Bedingungen auf der gesamten Reise waren ziemlich rau. Verglichen mit dem Passatwindsegeln, das ich gewohnt war, war dies eine reine Achterbahnfahrt! Die meiste Zeit hatten wir den Wind von vorne. Regelmäßig bließ er uns mit 25 bis 30 Knoten entgegen, in Böen teilweise mit bis zu 40 Knoten! Wir segelten entweder mit dem Großsegel im dritten Reff und der Schwerwetterfock, oder zeitweise nur mit der Schwerwetterfock.

Der Seegang war sehr konfus, da er aus zwei verschiedenen Richtungen gleichzeitig kam. Auf der WASA schuf er waschmaschinenartige Bedingungen und das Leben an Bord wurde eine reine Herausforderung: Wir kämpften alle gegen Seekrankheit. Draußen zu sitzen war meist unmöglich, weil Wellen ins Cockpit krachten oder starker Regen vom Himmel prasselte. Die Nächte waren kalt und jede Aufgabe erforderte das Vierfache der üblichen Anstrengung und Energie. Indem wir die meiste Zeit des Tages einfach nur auf dem Boden saßen oder lagen, erlebten wir „das anstrengendste Nichtstun, aller Zeiten“!

Kochen! Lassen wir uns über das Kochen sprechen: Es spielt keine Rolle, wie schlecht die Bedingungen sind oder wie schlecht man sich fühlt. Auf See muss man essen! Sonst erschöpft  der Körper, der Geist wird müde und es kann sehr schnell sehr gefährlich werden. Wir haben jeden Tag mindestens eine warme Mahlzeit gekocht. Reis oder Nudeln als Kalorienlieferant, mindestens eine Zwiebel pro Tag, etwas Kohl und anderes Gemüse für die Vitamine. Theoretisch wissen wir das alles: Gutes Essen ist die Grundlage für gute Laune und einen starken Geist. Aber wenn man damit kämpft, sein Frühstück bei sich zu behalten, sich am Boden sitzend im Schiff verkeilt hat und versucht Gemüse zu schibbeln, ist das leichter gesagt als getan.

Mit dieser Reise erfülle ich mir einen Traum.Wenn auch du mich dabei unterstützen möchtest freue ich mich über eine symbolische Einladung zu einer Brotzeit!

Vielen Dank!

In unserer letzten Nacht, wir segelten bereits parallel zur äußeren Riffbarriere von Neukaledonien, wurde ich plötzlich aus dem Schlaf gerissen. Mit einem gewaltigem Krachen brach eine Welle über das Heck und flutete nicht nur das Cockpit, sondern warf auch das schlecht gesicherte Steckbrett weg und stürzte in den Salon!

Als ich aufwachte, sah ich gerade noch, wie sich Wassermassen auf den Kartentisch, in mein Bücherschrank, über die gesamte Elektrik inklusive meinen Laptop, unsere Regenausrüstung und bis in Mayas Koje ergossen. – Alles war mit Salzwasser getränkt! Als das Boot wieder Fahrt aufnahm und kränkte, floss das Wasser seitlich den Rumpf hinauf. Erschrocken warf ich ein Blick in die Bilge und fand das Wasser nur ein paar Zentimeter unter den Bodenbrettern stehen!  Mit Eimern, Schwämmen und Handtüchern trockneten wir das Boot so gut wie möglich.

Unsere Hoffnungen, den sicheren und ruhigen Hafen in Noumea noch vor Tagesanbruch zu erreichen hatten sich ebenfalls zerschlagen. Drei verschiedene Leuchtfeuer hätten eigentlich die sichere Durchfahrt durch das Riff in die Lagune markieren sollen. Aber nur eines davon leuchtete tatsächlich. Wir kreuzten ein paar Mal vor der vermuteten Einfahrt auf und ab, aber müde, verwirrt von der starken Strömung und ohne jede andere Orientierung als das GPS, wagte ich es nicht, das Risiko aufzulaufen einzugehen. Wir drehten ab und ein paar Minuten später bei. Beim Beidrehen lässt man in einer Wende das Vorsegel auf der alten Seite back stehen und trimmt lediglich das Großsegel. Das Groß generiert Vortrieb und die Fock bremst. Die entgegenwirkenden Kräfte stabilisieren das Boot und halten den Bug bei leichter Drift nach Lee in einem günstigen Winkel zu Wind und Welle.

Wir krochen in unsere Kojen und warteten auf den Sonnenaufgang.

Nach einem kurzen Erholungsschlaf und bei gutem Sonnenlicht konnten wir dann endlich die letzten Meilen in Angriff nehmen! Am 27. April, 12 Uhr, legten wir in „Port du Sud Marina“ an und beendeten unsere Reise von 1228 nm nach elf Tagen und einer Stunde.