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Zwei Wochen bis zum Haul Out!

von | Nov 3, 2021 | Atlantik, Karibik, Panama

In den letzten zwei Wochen legten Sofien und ich rund 180 Seemeilen entlang der Küste Panamas zurück. Über Colon, Laguna de Bluefield, Crawl Cay Canal, führte unser Kurs von Linton Bay immer gegen Westen bis nach Boccas del Torro.

Nach Kaffee und Frühstück machen wir uns daran, das Boot zu klarieren. Der Abwasch wird erledigt, der Müll entsorgt und die Leinen an Deck sortiert. Wir wollen noch vor Mittag los, um unseren Zwischenstopp Colon nicht zu spät zu erreichen.

Dennoch ist es bereits dunkel, als wir die Lichter der Hafeneinfahrt bemerken. Ein paar ordentliche Regenschauer haben uns in unser Regenzeug gescheucht. Um uns herum liegen unzählige Frachter auf Reede und warten auf ihre Einfahrtserlaubnis. Wir queren das Fahrwasser der Einfahrt, um auf die richtige Seite zu gelangen und passieren dabei den Bug eines ausfahrenden Frachters mit nur einigen Hundert Metern Abstand. Wir sind uns sicher, es schnell genug zu schaffen und genügend Raum zu lassen. Das sieht der Kapitän des Frachters wohl anders: Mit einem kräftigen Hupen und einem Laserpointer, mit dem er uns im Cockpit umherwedelt, gibt er uns zu verstehen: „Zu nah, ihr Idioten!“

Die schiere Größe dieser Ungetühmer ist faszinierend!

Früh am nächsten Morgen ziehen wir um, quer durch die Bucht, näher an die Stadt. In der Karte steht etwas von „Club Nautico“ und „Ankerplatz“. Bei näherer Betrachtung ähnelt die Szenerie allerdings mehr einer Abfrackanlage oder einem Schrottplatz. Wir drehten zunächst ein paar skeptische Runden und wurden schließlich von einem Dockarbeiter angesprochen. Ankern sei OK, das Wasser freilich recht wellig von den vielen Pilotbooten. Das Areal ist abgesperrt und soll daher sicher sein.

Auf dem Postoffice liegt ein Brief, den ich eigentlich zur Beerdigung meiner Oma nach Hause geschickt habe. Aus unerfindlichen Gründen war es wohl nicht möglich, ihn außer Landes zu bringen und so landete er wieder in Colon, wo ich ihn abholen soll. Er liegt mir viel zu sehr am Herzen, als dass ich ihn dort hätte liegen lassen können. Wir wollen außerdem die Gelegenheit nutzen, den Bauch der WASA noch einmal mit günstigeren Lebensmitteln auffüllen zu können.

Mit dem Beiboot fahren wir an den Steg des heruntergekommenen Clubgebäudes, werden aber gleich wieder verscheucht. Ein Mann erklärt uns, es hätte in der Vergangenheit wohl eine heftige Schlägerei zwischen dem Besitzer und einem Segler gegeben, die das Aus für weitere Gastfreundschaften bedeuteten.

Schade! Wir binden das Dinghy stattdessen einfach an einen Baum am Ufer und klettern die Böschung hinauf. Ich hatte noch nicht einmal meine Schuhe angezogen, als ein Motorrad auf uns zuhält. Zwei schwer bewaffnete Polizisten in voller Kampfmontur steigen ab und schauen uns fragend an. – Zwei Gringos, die Barfuß und lachend aus dem Gebüsch herausgekrochen kommen. Wo meine Schuhe sind, will der eine wissen. Ich erkläre, dass ich sie in meinem Rucksack habe und wir gerade von einem Boot an Land gekommen sind, um einzukaufen. Sie lassen uns gehen.

Haus in Colon, fotografiert vom Wasser aus – in der Stadt traue ich mich nicht

Colon ist eine kaputte Stadt. Früher, als der Panamakanal gebaut wurde, wohnten hier tausende Arbeiter aus ganzer Welt. Nach seiner Fertigstellung der Baustelle blieben die Menschen. Arbeit und Geld jedoch fehlten. Die Bewohner verarmten und die Häuser verkamen. Heute stehen überall kaputte Häuser, die Gassen sind bis oben hin voll mit Müll. Vielen der Einwohner sieht man die Armut, aber auch den lanjährigen Konsum von Alkohol und anderen Drogen deutlich an.  

Zu fotografieren, das traue ich mich nicht. Zu beißend sind die Blicke im Nacken, sobald man nur kurz stehen bleibt, um auf dem Handy nach dem Weg zu suchen.

Bei meinem ersten Besuch in der Stadt warnte mich eine Frau, blos keinen Fuß in die Seitenstraßen zu setzen. Man würde mich erschießen und bis auf die Unterhose ausrauben.

Ich war perplex. Klar, ich wusste, dass Colon nicht die sicherste Stadt ist, aber dass es so schlimm ist? Ich war auf jeden Fall eingeschüchtert genug, an diesem Tag nur noch Taxis zu benutzen um von A nach B zu gelangen. Unterwegs unterhielt ich mich mit den Fahrern und entspannte mich langsam wieder. – So schlimm ist es nicht. „Mann muss seinen Verstand einschalten und vermeidet am besten Nachts draußen rumzulaufen“.

Ich selbst habe bis heute noch keine schlechte Erfahrung mit den Menschen in Colon gemacht. Im Gegenteil, sie sind alle ziemlich nett und hilfsbereit. (Wenn man darauf achtet, mit wem man spricht)

Oben: Klassische Unwetterfront am Tage.
Unten: Gewitterfront nachts auf dem Radar.

Drei Stunden später sind wir endlich zurück am Boot und machen uns bereit für die zweite Etappe. Im Schnitt schaffen wir 3 Knoten. Wie fast immer ist auch jetzt kaum Wind. Der Motor läuft die ganze Zeit und wird durch gehisste Segel unterstützt. Motorsegeln nennt sich das. Weht wenigsten ein bisschen Wind von der Seite, addiert er sich mit dem Fahrtwind und mit den Segeln können wir je nach dem bis zu 1,5 Knoten mehr aus dem Boot herauskitzeln.

Tagsüber bleiben es meistens trocken. Dafür brennt die Sonne dann erbarmungslos und wir suchen verzweifelt nach schattigen Plätzchen. Mit der Sonne wandern deshalb auch wir von einer Ecke des Bootes in die andere. Am Ende des zweiten Tages erreichen wir endlich unser Laguna de Bluefield und schmeißen den Anker in der Nähe eines kleinen Dorfes.

Es scheint ein sonniger Tag zu werden. Im Cruisingguide lesen wir von Wanderrouten und Wasserfällen. Wir sitzen jetzt seit mehreren Tagen und können es kaum abwarten, uns endlich die Beine vertreten zu können. Im Dorf werden wir sehr freundlich empfangen, nur das mit der Wanderung auf die andere Seite der Landzunge scheint wohl leider nichts zu werden. – „Muchas montagnas, no es posible!“. Stattdessen stellt uns der Mann seine zwei Söhne ab. Sie sollen uns den Weg zum Strand und zum Aussichtspunkt zeigen.

Die Brüder sind vielleicht zwischen sechs und acht Jahre alt und am Anfang etwas schüchtern, geleiten uns aber durch die angrenzenden Dörfer bis zum Strand. Am Aussichtspunkt teilen wir das mitgebrachte Bananenbrot und spielen „Hornhechte mit Steinen abwerfen“. Sofien und ich sind fasziniert, wie weit und wie zielgenau die beiden Jungs werfen. Sie zeigen uns, wie man frische Kokosnüsse richtig aufschlägt und am besten an ihren Saft kommt. Nach einem folgenden Wettrülpsen ist der Bann zwischen uns dann endlich gebrochen und auf dem Weg zurück kommen die beiden aus ihrem Lachen gar nicht mehr heraus.

Am Nachmittag versuchen wir unser Glück, mit dem Dinghy den Eingang zum Fluss und damit den Weg zu den Wasserfällen zu finden. Wir scheitern allerdings schon nach den ersten Mangrovenwurzeln.

Zwei Jungs aus dem Dorf haben uns beobachtet und kommen mit ihrem Einbaum auf uns zu. Wir verstehen uns direkt richtig gut und sie meinen uns den Weg zu zeigen zu wollen. Dario möchte Dinghy fahren und ich bin nicht abgeneigt den Einbaum auszuprobieren. Sositzt, keine 5 Minuten später, Dario mit Sofien im Dinghy und ziehen Lucre und mich im Einbaum hinterher. Sie führen uns zu einem anderen Eingang in den Fluss und nach ein paar Biegungen erreichen wir die Anlegestelle. Nun geht es zu Fuß weiter. 

5 Minuten bergauf, barfuß, erst über Beton, später auf einen Trampelpfad. „Das ist mein Zuhause.“, verkündet Lucre stolz, als wir auf einer Lichtung ein mit Bananenstauden und Kokosnusspalmen umringtes Haus sehen. Der Pfad endet ein paar hundert Meter weiter am Fluss kurz vor einem kleinen Wasserfall. Über die Jahre hat das Wasser hier zwei natürliche Pools geschaffen. Schüsselförmig und wohl zwei Meter tief. Wir sind alle durchgeschwitzt und freuen uns auf eine Abkühlung im Wasser! Süßwasser, wohl gemerkt. Lang ists her! Sofien und ich genießen, bis es uns zu kalt wird und wir langsam den Rückweg antreten. Die zwei Jungs begleiten uns bis zur Wasa. Dort  trinken wir eine Cola und schmieden Wiedersehenspläne. „Wenn ich auf dem Weg zurük hier vorbeisegle, dann könnte ich Lucre doch ein Handy und eine Simkarte mitbringen?“, schlägt Dario vor. „Klar kann ich!“. Wir sind müde und verabschieden uns voneinander.

Die Abkühlung kommt wirklich gelegen! Und es ist auch mal wieder schön, das ganze Salz vom Körper zu spülen (Auf der WASA gibt es nur Salzwasserduschen)

 

Doch so recht scheinen die zwei dann noch nicht gehen zu wollen. Sie verlangen, dass wir „die Tour“ bezahlen: “Zehn Dollar pro Person, für uns beide zusammen 15“

Damit haben wir nicht gerechnet. Die Stimmung von Sofien und mir ist bei Null. Ehrlich gesagt sind wir sogar etwas gekränkt, fühlen uns verletzt. Erstens hatte nie jemand von einer „Gebühr“ gesprochen und zweitens waren wir fester Überzeugung, in den Beiden zwei neue Freunde, oder zumindest coole Alterskameraden gefunden zu haben.

Mithilfe meines Taschenwörterbuches versuchen wir unsere Ansichten zu klären. Dario sieht irgendwann ein, dass die Aktion nicht ganz sauber ist. Lucre dagegen ist sichtlich angepisst und hat uns nichts mehr zu sagen. Er steigt ins Kanu und Dario folgt. Als die beiden mit ihrem Kanu in Richtung Mangroven paddeln schauen wir ihnen traurig hinterher.

Weiter geht es nach Boccas. Am 23ten hat Sofien Geburtstag und wir freuen uns darauf, in der „Backpackerstadt“ Panamas mal wieder ordentlich zu feiern. Auf dem Weg dahin sind wir bedauerlicherweise nicht richtig aufmerksam. Stattdessen kümmern wir uns gerade um die Auswahl des richtigen Angelköders, als wir im Augenwinkel einen hellblauen Fleck, gefolgt von hellbraunem Wasser entdecken. „Riff!! – Nach links, nach links, nach links!!“, brülle ich . Sofien reagiert sofort und reißt die Pinne herum. Augenblicke der Stille. Der Tiefenmesser zeigt: 3m, 2m, 1,9m, 1,3m, „Krrk!!“

Wir haben Glück! Das Boot hatte bereits ein gutes Stück gedreht und wir waren nicht allzu schnell. Wir prallten davon ab und können nach links abdrehen. Mit Schnorchel und Taucherbrille begutachten wir den Schaden. Etwa 50 cm von der Kielunterseite nach oben, an der Vorderkante, hängt noch ein bisschen Stein. Der solide Kiel zahlt sich aus! Außer der ordentlichen Macke im Gelcoat ist nichts zu sehen. Die Glasfaser scheint unbeschadet zu sein.  Dennoch eine Lehre!

Als wir das erste Mal durch die Straßen Boccas‘ laufen sind wir überrascht von der Vielzahl an Bars, Restaurants, und Hostels. Die der Insel Isla Colon vorgelagerte Halbinsel Boccas mit Boccas Town scheint wirklich das Backpacker Eldorado zu sein. Jeder bietet irgendwelche Touren an und möchte Souvenirs verkaufen.

Als die Läden schließen, ist es „Weed“ und „Cocain“, das > unauffällig< zum Kauf angeboten wird.

Sofien und ich sind eigentlich auf der Suche nach einem kleinen, netten, Restaurant mit lokalem, günstigen, Essen als wir wieder von einem Dealer auf seinem Fahrrad eingeholt. Später stellen wir fest, dass sie ein bisschen an kleine Singvögel auf Paarungssuche erinnern: „Weed- weed, weed- weed“.

Wir: „Noo, sorry man, only looking for some food.“.

Dealer: „No Weed?“.

Wieder Wir: „No, no weed, only Food. Do you know a good Place?“

Dealer: „Oh yeah, I know good place! Come, come! My mama’s making good food! Come!“

Sofien und ich schauen uns fragend an. Der junge Mann, vielleicht drei/ vier Jahre älter als wir, beteuert immer wieder, dass seine „mama“ gutes Essen macht und erscheint doch irgendwie halbwegs vertrauenswürdig. Wir beschließen uns die Sache anzusehen.

Er führt uns wirklich zu einem kleinen Restaurant, ein paar Querstraßen weiter. Und wie sich herausstellt, ist es auch wirklich seine Mama, die dort für uns kocht. Und zwar ziemlich lecker! Es gibt Reis mit Bohnen, Salat, Plantains, und Tintenfischeintopf! Sie schickt ihren Jungen extra noch einmal los Bier und eine Kokosmilch zu kaufen. Wir sollen ihm kurz Geld leihen, seine Mama ziehe es uns später wieder von der Rechnung ab.

Wir sind uns nicht sicher, ob Mama von den Nebeneinkünften ihres Sohnes weiß, es ist aber auch nicht unser Thema. Wir hatten auf jeden Fall ein richtig leckeres, Abendessen und so eine gute Grundlage, um bis spät in die Nacht in Sofiens Geburtstag hineinzufeiern.

Das Foto von den Toiletten im Club bleibt das einzigste des Abends.

Den ganzen Samstag liegen wir flach und fahren erst am Sonntag weiter in den Norden der Insel. Noch zwei Tage die Sonne und Wasser genießen, bis es dann nach Allmirante geht, wo sich unsere Wege trennen. Sofien fährt mit dem Bus nach Costa Rica und ich fahre zurück nach Boccas, um alles notwendige für die anstehenden Reparaturen zu organisieren.

Seit Dienstag steht die WASA auf dem Trockenen.