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Der lange Weg nach Australien

von | Nov 8, 2022 | Australien, Fiji, Pazifik

Der Trip von Fiji nach Australien sollte meine erste ernstzunehmende Einhand- Überfahrt werden. Ich wollte wissen, was das allein sein mit mir macht. Wie ist es 18 Tage lang nur ich und mein Boot?

Vor mir lagen ungefähr 1800 Seemeilen mit unvorhersehbaren Wetterbedingungen. Ich beobachtete seit Wochen das Wetter. Prognosen für das Gebiet um die australische Küste änderten sich täglich! Ständig entstanden neue Tief- und Hochdruckgebiete, wurden umgelenkt oder verschwanden einfach wieder komplett von der Bildfläche.
Da ich mich in Australien relativ zeitnah zu einem Yachtmasterkurs (Kapitänslizenz, die es mir ermöglicht kommerziell als Skipper zu arbeiten) angemeldet hatte, musste ich direkt, ohne einem weiterem Zwischenstopp auf halber Strecke, in Neu Kaledonien, nach Australien segeln.

Neu Kaledonien wollte ich im Süden passieren. Mit sicherem Abstand um die weit in den Ozean herausreichenden Riffe zu umgehen, aber doch so nah wie möglich, um Stürme, die aus den „brüllenden vierzigern“ (Seegebiet bei ca. 40°S) nach Norden ziehen zu vermeiden. Dann sollte es ohne zu viel Höhe zu verlieren bis kurz vor Brisbane gehen um dort nach links abzubiegen um der nach Süd setzenden Strömung bis nach Sydney zu folgen.

Dieser Plan ist nicht zu 100% aufgegangen:

Wegen starken Gegenwinden und immer wiederkehrenden Flauten musste ich viel früher als gedacht nach Süden abdrehen! Kurz vor dem Ziel zwang mich das Wetter in einen Kampf gegen einen ausgewachsenen Weststurm.

Aber der Reihe nach.

In Fiji ankerte ich zuletzt nahe Port Denerau im Westen der Insel Viti Levu. Hier befanden sich Zoll & Einwanderungsbehörde und der Weg in die Stadt um Proviant aufzufüllen war mit dem öffentlichen Bus ein Kinderspiel.

Nach dem ich ohne Probleme ausklariert hatte gönnte ich mir von meinen letzten Fiji – Dollars ein ordentliches Frühstück. Ich fuhr mit dem Beiboot zurück zur WASA, faltete es zusammen und verzurrte das Paket ordentlich an Deck. Gegen elf Uhr ging ich „Anker auf“!

Der Wind kam aus West- Südwest und mit Motorunterstützung kreuzte ich dem Pass im äußeren Riffring entgegen. Es war bereits später Nachmittag als Fiji langsam im Dunst zu versinken begann und ich den offenen Ozean erreicht hatte. Ein paar Stunden hatte ich noch Wind. Dann schlief er völlig ein. Ich barg das Vorsegel und ließ nur das Groß stehen, um das Boot gegen die rollenden Schiffsbewegungen zu stabilisieren.

In den folgenden drei Tagen hatte ich oft absolute Flaute. Der Motor lief nahezu ununterbrochen und hämmerte vor sich hin. Starke Böen, die vor allem nachts aus dem Nichts kommend über mich und das Boot herzogen hielten mich beschäftigt und raubten mir den letzten verbliebenen Schlaf.

Ich fing an, an meinem Plan zu zweifeln: „18 Tage alleine segeln?!“. Da ich kaum vorwärts kam fing ich an mir Sorgen zu machen: Ich fragte mich, „Schaffe ich es Rechtzeitig zu meinem Kurs nach Australien, oder habe ich einfach nur eine Menge Geld in den Sand gesetzt?“, „wie lange reichen meine Vorräte?“.

Ich hatte Niemanden, um über diese Gedanken zu sprechen. So geisterten sie abends, wenn ich versuchte einzuschlafen in meinem Kopf herum und hielten mich wach. Irgendwann kam ich zu dem Punkt, an dem ich beschloss, alles, aber auch wirklich alles Essbare an Bord zu zählen und auszurechnen wie viele Tage ich mich noch versorgen könnte, bevor mir die Vorräte ausgehen würden. – Ich hatte nichts zu befürchten!

Mit zunehmenden Wind kam auch langsam mein Selbstvertrauen wieder zurück. Mein Papa informierte mich täglich via Satellitentelefon über Wind und Wetter. Mich erwarteten 25 bis 30 Knoten aus Südosten! Ich freute mich regelrecht über diese Starkwindwarnung! „Endlich geht was vorwärts!“

Während der Wind immer weiter zunahm, reffte ich die Segel immer weiter ein. Am Ende war das Groß komplett geborgen und von der großen Genua stand nur noch ein winziges Dreieck, mit dem Spinnackerbaum ausgebaumt, um es vor unkontrolliertem hin und her schlagen zu bewahren.

So blieb es für fünf Tage. Die meiste Zeit des Tages verbrachte ich drinnen im Saloon. Denn draußen war es mittlerweile viel zu kalt und immer wieder schwappten Wellen in das Cockpit und durchnässten all das dort Vergessene.

Dafür schlief ich gut! Die Windrichtung blieb relativ konstant und die Windfahne arbeitete einwandfrei! Ich schaffte es Nachts regelmäßig 2- 3 Stunden am Stück zu schlafen bevor mich mein Wecker zur Kurskontrolle weckte. Lediglich eine Steuerleine der Windfahne scheuerte durch und ich musste sie unter voller Fahrt wechseln. Nach einigem Überlegen stellte sich das glücklicherweise aber als kein allzu großes Problem dar: Ich vernähte die alte mit der neuen Leine. 

Dann musste ich aus dem Cockpit an die Außenseite des Hecks klettern, um die alte Leine vom Pendelruder zu kappen und die Neue anzubinden. Dann konnte ich die Neue an der Alten an einem Stück durchziehen und innerhalb von 5 Minuten steuerte die Anlage wieder als wäre nichts gewesen!

An Tag 10 schlief der Wind erneut ein. Außerdem steuerte ich anscheinend durch ein Gebiet mit wechselnden Strömungen. Trotz laufendem Motor maß ich in diesen Tagen einen Rekord der Langsamkeit: Sieben Seemeilen in mehr als 10 Stunden! – Es war zum Haare raufen.

Aber diesmal ließ ich mich nicht auf mein inneres Jammern ein! Stattdessen vertrieb ich mir die Zeit mit Backen und Handarbeit! Aus den letzten Fiji- Kokosnüssen machte ich Kokosnussmilch und zusammen mit Kakao aus Samoa entstand eine zugegebener Maßen ziemlich geile Version des Marmorkuchens. Für meine Schiffspapiere nähte ich eine neue Dokumententasche und stickte den Bootsnamen ein.

Es war die Ruhe vor dem Sturm.

Der Wind begann immer weiter aufzufrischen und erreichte am 15ten Tag meiner Reise eine Stärke von durchschnittlich 30 Knoten. Blöderweise wehte er dieses Mal nicht von hinten, sondern kam mal aus Nordwest mal aus Wast und mal aus Südwest. Vereinfacht gesagt: Immer genau von vorn!

Die ständig variierenden Windrichtungen machten ein wirklich taktisches Kreuzen unmöglich und es wurde ein niemals endendes Wenden und Kurs korrigieren. Das Wetter wurde zunehmend immer kälter und ich kam aus meiner Schlechtwetterkleidung gar nicht mehr heraus. Ich trug dicke Socken, Skiunterwäsche, Pulli, Gummistiefel, Regenhose und Jacke. Insgesamt drei Tage am Stück!

In meinem Tagebuch habe ich die letzten 70 Stunden bis nach Sydney zusammengefasst:

              „Die letzten Tage waren schlimm. Ich war etwa 130 Seemeilen nördlich von Sydney und 70 Seemeilen von der Küste Australiens entfernt, als ein Sturm mit über 40 und in Böen weit über 50 Knoten aufzog.

Wie stark der Wind tatsächlich war, kann ich nicht sagen – meine Windmessanlage hat irgendwann klein beigegeben und zeigte gar Nichts mehr an. Es war definitiv schlimmer als der Sturm vor Französisch Guyana und alles andere. (hier)

So etwas hatte ich noch nicht erlebt:

Wasser überall! Die Wellen schlugen über das Deck; die Gischt – eiskalt- knallte mir mit einer solchen Wucht ins Gesicht, das es weh tat. Ein Teil meines Sonnenschutzes wurde zerfetzt und die Kunststoffscheiben meiner Sprayhood von den Wellen eingedrückt.

Beim Setzen des Sturmsegels oder Losschneiden meiner Über Bord gegangenen Kanister fand ich mich, wenn das Boot gegen die Wellen knallte, plötzlich knietief im Wasser stehend wieder.

Ich schlief; wenn man davon sprechen kann; eingekeilt zwischen Koje und Saloontisch auf dem Boden auf einer Isomatte und einem Segelsack. Stündlich klingelte ein Wecker um den Kurs zu kontrollieren und um nach Frachtschiffen Ausschau zu halten. Im Schnitt funkte ich jede Nacht mit drei Frachteren um sicher zu gehen, dass wir uns in dem Wetter nicht zu nahe kommen würden.

Ablaufen konnte ich den Sturm nicht. – Er hätte mich wieder weit auf See hinaus geblasen und die ganze Arbeit der vergangenen Tage zunichte gemacht. Stattdessen musste ich am Wind segelnd so gut es ging dagegenhalten.

Ich war erleichtert, als nach 20 Stunden der Wind langsam wieder abnahm. Die 20- 30 Knoten die meine Windmesser dann wieder anzeigte, kamen mir fast vor wie Flaute.

In der Früh um vier Uhr (am 03.11.22) segelte ich meine letzte Wende und nahm dann direkten Kurs auf Sydney.“

 Unter Segeln fuhr ich in die Einfahrt von Sydney Harbour. Erst als ich im engen Fahrwasser ankam ließ ich Groß und Fock fallen und legte die letzten zwei Meilen bis zum Zolldock unter Motor zurück.

Auf der Suche nach einem geeigneten Platz für die Nacht sah ich mich Plötzlich vor eine unerwartete Herausforderung gestellt: Die vielen, in der Karte eingezeichneten Marinas, waren nahezu alle Privat und hatten keine Gastliegeplätze.

Nach einer Weile des erfolglosen Suchens entschloss ich mich schließlich bei einer Bootstankstelle anzulegen und den Tankwart um Hilfe zu bitten. Der Mann wurde mein Held des Tages! Nachdem ich meine Situation geschildert hatte, nahm Anthony mich zu sich ins Büro, kochte heißen Kaffe, öffnete eine Packung Kekse und durchforstete mit mir zusammen das Internet nach möglichen Liegeplätzen. Er gab mir sein Handy, um telefonieren zu können und fragte seine Freunde am Anleger nach deren Tipps.

Am Ende fanden wir zwar keine passende Marina – das günstigste Angebot für eine Nacht lag bei 80 Dollar, dafür aber einen kostenlosen Ankerplatz nur 5 Minuten weiter. In Blackwattle Bay; Luftlinie vielleicht 800 Meter vom Operahouse entfernt; ankere ich seit dem. Ich darf für 28 Tage bleiben, brauche nur ein paar Paddelschläge mit dem Dinghy an Land und bin nur einen Kleinen Fußmarsch vom Stadtzentrum entfernt!

Besser hätte es eigentlich nicht laufen können!

Fiji:

Wer in letzter Zeit versucht hat neue Artikel auf meinem Blog zu lesen, der hat wahrscheinlich nicht viel gefunden. Das liegt ehrlich gesagt nur daran, dass es in Fiji viel zu schön war, als dass ich genügend Motivation finden konnte mich an den Schreibtisch zu setzen und Artikel zu schreiben. Aber das möchte ich unbedingt in den nächsten Wochen nachholen. – Also schaut immer Mal wieder vorbei! 😉